Wichtelweihnacht im Winterwald

Wichtelweihnacht im Winterwald, Ulf Stark, Eva Eriksson

Manchmal flucht mein Mann über die Ideen, mit denen seine Frau so aus diversen Elternforen im Netz ankommt. Letztes Jahr hatte es mir der Wichtel angetan. Die Idee, der Adventszeit durch einen heimlichen Mitbewohner noch mehr Zauber und Spannung zu verleihen, gefiel mir so gut, dass Friedrich bei uns einziehen durfte.

Mein Mann schwankte zwischen Fluch und Spott, verzog sich aber für einige Stunden in seine Heimwerkerwerkstatt und bastelte eine individuelle Wichteltür mit Fußleistenstufe und vergoldeten Scharnieren. Und schon war Friedrich bei uns eingezogen und stellte sich per Brief vor.

Mein Mann wollte ihm direkt Miete abknöpfen für seine Wohnung. Aber die Quadratmeterzahl in der Wand war einfach zu schwierig zu berechnen. So einigten wir uns darauf, dass Friedrich -weil er, wie er behauptet, hervorragende Kontakte zu einer Spielzeugfee hat – als Adventskalender fungieren und den Kindern jeden Tag eine Kleinigkeit mitbringen sollte.

Die Kinder waren begeistert. Das Risiko, das wir mit dieser Vereinbarung eingegangen waren, wurde uns erst bewusst, als Friedrich anfing, so Dinge wie Murmeln mitzubringen, die dann durch’s ganze Haus kullerten, oder echte Schulmalfarben, die dann sowohl von ihm, als auch von den Kindern auf dem Fußboden und auf dem Tisch ausprobiert wurden.

Auch Friedrichs nächtliche Plätzchenbackaktion hinterließ neben ein paar Keksen einen Haufen Chaos. Dennoch durfte er bis ins neue Jahr bleiben. Man ist ja guten Willens in diesen Tagen. Und da er zu den Geburtstagen der Kinder so nette Grüße und Päckchen schickte, ließen wir uns erweichen und Friedrich durfte auch für diese Adventszeit wieder hier einziehen.

Ziemlich spät war er heute dran, denn eine Familienerkältung raubte uns wertvolle Vorbereitungszeit. Als ich in der Früh mit dem Ceranfeldschaber die Reste des doppelseitigen Klebebandes vom letzten Jahr von der Rückseite der Tür abschabte, schnitt ich mir nicht nur in die Hand – nein, ich zerstörte auch noch die aus einzelnen Leisten zusammengeklebte Türe.

Abermals verzog der Herr des Hauses sich in die Werkstatt, bis die Tür schließlich am späten Vormittag an neuer Stelle an die Wand angebracht wurde. Die alte Wohnung war Friedrich nämlich zu klein geworden, sodass er innerhalb unserer Esszimmerwand umzog.

Da die Große im Kindergarten war, war es am Lütten, die Tür wiederzuentdecken. Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff, dass Friedrich wieder da war. Mehrere Male versuchte er, die Tür zu öffnen, aber was eine richtige Wichteltür ist, kann eben nur vom Wichtel geöffnet werden.

Dann setzte Junior sich mit etwas Abstand vor die Tür und versuchte es mit rufen: „Wichtel! Rauskommen! Hallo, Wichtel! Mach die Tür auf!“ Das konnte der Wichtel aber gar nicht – er war heute nämlich den ganzen Tag am Flughafen und versuchte, sein verlorengegangenes Gepäck wieder aufzutreiben.

Mein Sohn gab so schnell nicht auf. Er rief die Feuerwehr zur Hilfe. Seinem großen roten Feuerwehrauto müsste es doch gelingen, die Wichteltür aufzumachen. Aber als er dann so mit dem Feuerwehrauto vor der Tür hin und her schob und die lange Leiter ein- und ausfuhr, stellte sich eine gewisse Ratlosigkeit im Blick des Kindes ein. Eine letzte Idee hatte er noch: „Wichtel, guck mal, meine große rote Feuerwehr!“ rief er der Tür lockend entgegen. Aber Friedrich machte trotzdem nicht auf.

So ist das eben mit Hauswichteln. Sie funktionieren nicht, wie wir Menschen uns das vorstellen, sie haben ihren eigenen Kopf. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass Friedrich sich an die Abmachung halten und den Adventskalender übernehmen wird. Denn im Grunde sind alle Wichtel herzensgut und bereiten gerne Freude – selbst wenn sie Grantel heißen.

 

Kurzrezension

Der Wichtel Grantel kümmert sich aufopferungsvoll um die Tiere des Waldes – ob er will, oder nicht. Er kann nämlich nicht anders. So nimmt er eine schwache Hummel bei sich auf und hegt und pflegt sie, liest ihr sogar etwas vor – auch wenn sie alles verschläft.

Die Welt um ihn herum scheint aber gegen ihn zu sein. Auf dem verlassenen Hof, auf dem er in der Hundehütte haust, weht eines Tages ein so starker Wind, dass es ihm die geliebte rote Zipfelmütze und sogar die Handschuhe davonweht. Ebenso wird das alte abgewetzte Hofschild davongetragen, auf dem nur noch Bruchstücke zu lesen sind.

Wie es der Zufall will, finden die Tiere des Waldes nach und nach diese Wichtelhabseligkeiten und ziehen ganz eigene Schlüsse daraus, was es damit auf sich haben könnte. Zusammengereimt mit den Dingen, die sie bei den Menschen aufgeschnappt haben, stellen sie fest, dass bald Weihnachten sein muss und der Weihnachtsmann kommen wird.

Eifrig bereiten sie ein tolles Fest vor und freuen sich schon auf das erstaunte Gesicht vom Weihnachtsmann, wenn er ihre Geschenke und die leckeren Speisen gereicht bekommt. Papa Kaninchen übt die formgerechte Begrüßung des Weihnachtsmannes mit seinem geliebten schwarzen Hut und Mutter Kaninchen backt und kocht, soviel sie kann. Doch der Weihnachtsmann lässt auf sich warten. Was zunächst pure Vorfreude war, wird langsam zur Ungeduld und schließlich sogar zu einem missmutig ausgesprochenen Zweifel daran, ob es den Weihnachtsmann überhaupt gibt.

Zwei kleine Kaninchenkinder beschließen deshalb, den Weihnachtsmann zu suchen – und treffen dabei ausgerechnet auf den granteligen Wichtel Grantel. Der möchte eigentlich nichts von Weihnachten wissen und lieber grantelig sein. Aber dann ist er irgendwie doch selbst die Weihnachtsfreude für alle Tiere des Waldes. Das alles wird auf eine so bezaubernde Weise beschrieben und mit sanften Zeichnungen hinterlegt, dass man dieses Adventskalenderbuch gerne weiterempfiehlt.

Auch wenn meine Kinder ihren Wichtel als weniger grantelig kennengelernt haben, fanden sie die Geschichte von der Wichtelweihnacht im Winterwald toll. Und dem Papa, dem heute ein „Wenn ihr weiter so streitet, zieht der Wichtel bestimmt gleich wieder aus“ herausrutschte, attestierte die Große direkt: „Ach, Papa, du hast ja keine Ahnung. Du kennst dich ja überhaupt nicht mit Wichteln aus.“

 

Das stimmt wohl. Wir Erwachsenen haben oft Schwierigkeiten, uns in die phantastische Welt der Wichtel, Feen und Wurzelzwerge hineinzufühlen. Na, uns bleiben ja jetzt 24 Tage Zeit, um wieder etwas mehr über die geheimnisvollen Weihnachtswichtel zu lernen. Wir wünschen allen eine gemütliche Adventszeit mit dem aktuellen Buch der Woche.

 

Altersempfehlung: 4-7 Jahre
Vorlesezeit: 25 Kapitel à 2-3 Minuten

Daten zum Buch „Wichtelweihnacht im Winterwald“

Titel: Wichtelweihnacht im Winterwald
Autor: Ulf Stark, Eva Eriksson
Verlag: Oetinger
Jahr/Auflage: 2014

ISBN: 978-3789147500

Wichtelweihnacht im Winterwald

KriteriumBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt10
Titelwahl10
Aufmachung10Hardcover
quadratisch, groß, sanfte, niedliche Zeichnungen
Text/Sprache10Der Text ist in 25 kurze Abschnitte unterteilt, die Sprache ist verständlich und ruhig und die Geschichte lässt sich gut vorlesen
Inhalt10Der kleine Hauswichtel Grantel wohnt auf einem verlassenen Hof. Ewig grantelnd kehrt er stets seine liebenswerten Eigenschaften hervor: Er kümmert sich um eine schwache Hummel, füttert sie, liest ihr etwas vor, und als zwei Hasenkinder ihn mit dem Weihnachtsmann verwechseln - nun, da bereitet er ihnen die Freude und ist ihr Weihnachtsmann.
Pädagogische Themen9Hilfbereitschaft
Familie
Vorfreude
Ungeduld
schlechtes Gewissen
Pädagogischer Wert9Ein bisschen schade ist es schon, dass der grantelige kleine Wichtel bei all der Freude, die er verbreitet, trotzdem versucht, grantelig zu bleiben.
Schlüssigkeit/Logik-
Kreativität10