„Mama, xy sagt, dass er viel reicher ist, als ich. Er hat nämlich so ein Auto und so eine Figur und den Film soundso und außerdem noch dieses und jenes.“ Ich bin etwas verdutzt und weiß nicht so recht, was ich mit dieser Information und der äußerst abstrusen Aufzählung vollkommen irrelevanter Spielsachen anfangen soll. Zumal wenn man sich in diesem Haus umsieht, nicht gerade der Eindruck entsteht, dass meine Kinder in materiell ärmlichen Verhältnissen aufwachsen.
Im Gegenteil: Immer öfter kommt mir der Gedanke an minimizing, ein Wort, das mir im Mütterforum schon einige Male begegnet ist und eine gewisse ehrfürchtige Faszination auslöst. Der Gedanke, sich von Materiellem zu distanzieren, loszusagen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, ist sehr biblisch. Mein Mann würde es anders ausdrücken, in etwa „Hier liegt soviel Sch… rum, die Hälfte davon kannst du wegschmeißen und es fällt niemandem auf.“
Wir täuschen uns beide. Minimizing würde nicht helfen und doch: Es fällt dem Kind auf, wenn etwas aus dem Chaos verschwindet, und sei es noch so klein. Aber im Grunde geht es meinem Kind auch weniger um genau dieses oder jenes Spielzeug oder um die Menge an sich, die xy mehr hat, sondern um den Vergleich: Ein Kind sagt, es sei reicher, als meines. Diese Aussage löst bei meinem Kind etwas aus, das es noch nicht in für Erwachsene gültige Rahmen einordnen kann.
Also verspüre ich den Drang, meinem Kind beim Einordnen zu helfen. Einerseits durch Rückfragen wie: „Kann sein, dass xy mehr hat, aber du hast auch total viel, meinst du nicht, dass es reicht?“ Das bewirkt natürlich bei einer Vierjährigen keine Reflektion, sondern nur ein „Nein.“
Also versuche ich es anders: „XY hat vielleicht wirklich dieses oder jenes. Aber dafür hast du etwas viel tolleres, nämlich einen Bruder. Mit dem kannst du spielen, den kannst du liebhaben.“ Das war nicht das, was mein Kind hören wollte. „Brüder sind doof“, behauptet mein Kind. Und schon steh ich wieder vor einer Situation, in der alles, was ich sage, falsch sein kann.
„Echt, du findest deinen Bruder doof? Aber du spielst doch so gerne mit ihm.“ „Nein, tue ich nicht“, behauptet mein Kind – entgegen aller Tatsachen.
„Hm, was sollen wir denn dann machen. Wir können ihn doch nicht verkaufen, oder? Oder willst du das?“ frage ich, unsicher, ob es pädagogisch wertvoll ist, so einen Gedanken überhaupt in den Raum zu werfen.
Aber zum Glück schüttelt mein Kind dann doch den Kopf und sagt ganz klar: „Nein, natürlich nicht.“ Wir einigen uns darauf, dass wir den Bruder lieb haben und dass er zu uns gehört.
Aber natürlich verunsichern mich solche Gespräche. Eifersucht war bislang – toitoitoi – bei uns kein großes Thema. Aber je größer das Geschwisterchen wird, desto mehr steht es der großen Schwester schonmal im Weg, zerstört ihre Legobauwerke oder nervt, weil er bei allen Unternehmungen dabei ist und langsam auch schnell wird und kräftemäßig durchaus mithalten kann.
„Mama, ich will dieses und jenes nur mit dir machen“, höre ich dann schonmal. Und wenn ich nachfrage: „Und dein Bruder? Wo lassen wir den?“, heißt es: „Der kann bei Papa bleiben.“
Wie gesagt, eigentlich hat sie ihn lieb, den kleinen Bruder. Und sie spielt auch meistens total gerne mit ihm. Sie hat auch Spaß an Unternehmungen zu viert. Aber manchmal, da empfindet sie alles ganz anders – und das ist dann wohl auch in Ordnung, solange wir ihn behalten dürfen, den Bruder.
Kurzrezension
Karline ist ein kleines Krokodil mit einem großen Problem: Ihr kleiner Bruder nervt und stinkt und sabbert und nimmt den ganzen Platz auf Mamas Schoß ein. Aber Mama Kroko findet den Bruder ganz toll, seine Schnauze und seine Augen und seine grünen Schuppen. Sie gibt dem Bruder einen dicken schmusigen Schmatzer – und Karline ist eifersüchtig.
Dann kommt der Tag, an dem Mama einen Hut umtauschen will, weil der nicht so ganz das ist, was sie sich vorgestellt hat. Karline soll so lange auf ihren Bruder aufpassen. Aber Karline geht in das nächste Babygeschäft und möchte ihren Bruder umtauschen.
Der Verkäufer sieht da kein Problem. Nacheinander bietet er Karline einen Panda, einen Elefanten, zwei Tigerkinder und weitere Tierbabys an, aber so recht zufrieden ist Karline mit keinem Ersatz. Schlussendlich bietet der Verkäufer ihr den kleinen Krokobruder an – und plötzlich sieht Karline, dass der doch eigentlich genau das Baby ist, dass sie haben möchte. Also nimmt sie ihn wieder mit, obwohl er sabbert.
Mama hat derweil ihren Hut umgetauscht, lobt Karline, weil sie sich in Mamas Augen so gut um das Baby gekümmert hat, und sagt, dass sie sich schon darauf freut, wenn der Bruder größer wird, weil er dann genauso toll sein wird, wie Karline es schon ist. Die Geschichte endet mit einem „dicken schmusigen Schmatzer“ für Karline.
Das Thema Eifersucht wird hier auf sehr humorvolle Weise angegangen und durch die Tiercharaktere etwas abstrakter erzählt. Dennoch bietet das Buch eine gute Identifikationsmöglichkeit für eifersüchtige Geschwister, eben weil es das Wort Eifersucht nicht umschreibt und nur unterschwellig von irgendwelchen doofen Gefühlen im Bauch oder Stichen ins Herz spricht, sondern ganz klar ausspricht, um was es geht. Dass andere Kinder auch schonmal das Gefühl haben, dass sie das Geschwisterchen nicht haben wollen, beruhigt. Die Erkenntnis, dass man das nervige, sabbernde, stinkende Baby trotzdem lieb haben kann, ebenfalls.
Das Buch ersetzt keine Gespräche zwischen Eltern und Kindern, aber es ist eine lustige und liebenswerte Art, ein Tabuthema ganz offen anzusprechen. Zeichnungen wie Sprache begeisterten uns gleichermaßen.
Altersempfehlung: 4-6 Jahre
Vorlesezeit: 10 Minuten
Daten zum Buch „Tausche Bruder gegen…“
Titel: Tausche Bruder gegen…
Autor: Andrew Joyner, Jan Ormerod
Verlag: Ravensburger
Jahr/Auflage: 2015
ISBN: 978-3473446582
Tausche Bruder gegen...
Kriterium | Bewertung (1-10) | Begründung |
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Punkte gesamt | 10 | |
Titelwahl | 10 | |
Aufmachung | 10 | Hardcover quadratisch witzige und niedliche Zeichnungen |
Text/Sprache | 10 | Der Text ist phantastisch, weil Witz und Ironie in der unglaublichen Höflichkeit, mit der Karline und der Verkäufer im Babyladen über die Alternativen beraten, spürbar werden und Leser/Vorleser wie Zuhörer begeistern. |
Inhalt | 10 | Ein Krokodilmädchen ist eifersüchtig, weil Mama das Babybrüderchen so toll findet. Karline möchte ihren Bruder umtauschen, doch irgendeinen Haken haben die Ersatzbabys alle. Wahrscheinlich, weil sie einfach nicht so perfekt sind, wie das Krokobaby, das Karline doch irgendwie genauso lieb hat, wie Mama. Und wie sich herausstellt hat Mama ihre Karline und das Brüderchen auch gleich lieb. |
Pädagogische Themen | 10 | Eifersucht Liebe Familie |
Pädagogischer Wert | 10 | Ein sehr ernstes Thema wird hier mit Humor und Leichtigkeit, vor allem aber mit Ehrlichkeit angesprochen und bietet dadurch eine hervorragende Gesprächsgrundlage für kleinere und größere EIfersuchtssorgen. |
Schlüssigkeit/Logik | - | |
Kreativität | 10 |