Lilly, die Lesemaus

Lilly, die Lesemaus, Asja Bonitz

Lesen können ist ein großer Vorteil, das hat Lilly längst erkannt. Vor allem Nele bekommt Lob und Belohnung, weil sie so eifrig liest. Aber reicht es vielleicht auch, wenn Mama und Papa nur denken, dass Lilly schon lesen kann?

Kurzrezension

Lillys Schwester Nele kann schon lesen. Kein Wunder, sie hat es in der Schule gelernt. Überhaupt kann Nele einige Dinge, die Lilly noch nicht kann. Darum ist Lilly manchmal ziemlich genervt von Nele, und auch ein bisschen eifersüchtig.

Ganz besonders schlimm ist es für Lilly, als Mama und Papa entscheiden, dass Nele nun groß genug ist für ein eigenes Haustier. Während Lilly ihrer Schwester sogar noch beisteht, als diese sich ausgerechnet für eine von den Eltern ungeliebte Ratte entscheidet, muss sie gleichzeitig schlucken, dass Papa ihr erst dann ein Tier anvertrauen will, wenn sie, wie Nele, lesen kann.

Dabei gibt es in dem Tiergeschäft ein Meerschweinchen, das Lilly unbedingt haben will. Sie kann doch unmöglich warten, bis sie zur Schule geht und lesen lernt. Bis dahin ist das Meerschweinchen doch sicher längst an jemand anderen verkauft worden.

Lilly beschließt, ihren Eltern weiszumachen, dass sie lesen kann. Sie lässt sich immer wieder dieselben Seiten desselben Buches vorlesen – so lange, bis sie es auswendig kann. Wahrscheinlich hätten Mama und Papa ihr sogar geglaubt, dass sie nun lesen kann – wenn Nele nicht gepetzt hätte. Ausgerechnet Nele. Lilly ist stinksauer. Und Mama und Papa sind sehr enttäuscht, weil Lilly gelogen hat.

Doch dann bekommt Nele Mitleid und beschließt, ihrer Schwester zu helfen. Sie bringt ihr das ABC und nach und nach auch das Lesen bei. Das klappt so gut und so schnell, dass Papa schließlich ganz von selbst das heiß ersehnte Meerschweinchen mit nach Hause bringt.

 

Die Geschichte wirkt etwas konstruiert und arbeitet mit Erziehungsmustern, die nicht so schön sind. Ein Haustier als Belohnung für das Lesenlernen ist ein fragwürdiges Motiv. Für Lilly ist das Lesenlernen somit ein Druckmittel. Kein Wunder, dass sie zunächst versucht, es zu umgehen und mit einem Trick an ihr Ziel zu gelangen.

Auch, dass die Eltern Lillys Eifersucht auf Nele nicht erkennen, sondern ihr Schmollen belächeln und sie mit ihrem Kummer über den aufgeflogenen Schwindel allein lassen, liest sich nicht schön. Zwar werden die Eltern grundsätzlich als liebe- und verständnisvoll beschrieben, doch ein Beigeschmack bleibt aufgrund ihres Verhaltens. Dass Lilly schließlich durch ein bisschen Üben mit der großen Schwester innerhalb von ein paar Wochen lesen lernt, ist dann ein bisschen zu einfach.

Leidenschaft für Geschichten, Bücher und das Lesen zu entwickeln und zu fördern, mag die Grundidee der Geschichte sein. Doch so richtig springt der Funke nicht über. Dass die Eltern der beiden Mädchen immer nur in Form von angedeuteten Körperteilen dargestellt werden, von hinten oder als hereinlangende Hand, verstärkt den Mangel an Persönlichkeit. Die Eltern bekommen hier einfach kein sympathisches Gesicht.

Die Geschwisterbeziehung steht in der Geschichte zwar im Vordergrund, aber die Eltern nur als Geber und Entscheider auch zeichnerisch so stark in den Hintergrund zu stellen, lässt Lillys wahres Problem ungewollt deutlich werden: Die Eltern sehen sie nicht, sie sind schlicht nie so da, wie sie es bräuchte.

Altersempfehlung: 5-7 Jahre
Volumen: 68 Seiten

Daten zum Buch „Lilly, die Lesemaus“

Titel: Lilly, die Lesemaus
Autor: Asja Bonitz, Mele Brink
Verlag: Edition Pastorplatz
Jahr/Auflage: 2018/1.

ISBN: 978-3943833270

Lilly, die Lesemaus

KriteriumBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt9
Titelwahl10
Aufmachung9gebunden, die Zeichnungen von Tieren und Umfeld sind größtenteils anschaulich und niedlich, aber die Gesichter der Mädchen wirken leider nicht sehr sympathisch, Lilly wirkt meistens eher etwas verschlagen, nicht nur beim Lügen. Die Eltern werden größtenteils nur angedeutet und bleiben konturlos.
Text/Sprache10Der Text ist durch die Kapitelstruktur für Leseanfänger geeignet, nicht zu lang und wörtliche Rede wird farblich hervorgehoben.
Inhalt8Lilly möchte auch lesen können - weniger um des Lesens Willen, als darum, dass sie von den Eltern gelobt und mit einem Haustier belohnt wird, wie ihre ältere Schwester Nele. Da Lilly noch nicht zur Schule geht, tut sie einfach so,als ob sie lesen könnte. Doch der Schwindel kommt heraus und die Eltern sind enttäuscht. Nele bringt ihrer kleinen Schwester dann aber ganz leicht das Lesen bei, sodass es am Ende auch für Lilly eine Belohnung gibt.
Pädagogische Themen9Geschwister
Eifersucht
Anerkennung
Belohnung
Pädagogischer Wert8Das Verhalten der Eltern, die Lillys Bedürfnis nach Anerkennung nicht zu sehen scheinen und zudem ein Haustier vom Lesenlernen abhängig machen, mindert den pädagogischen Wert leider.
Schlüssigkeit/Logik8Dass Lillys Eltern nicht merken, dass Lilly das Buch nur auswendig gelernt hat, und dass es Neles Petzerei dafür bedarf, ist nicht sehr schlüssig. Ob ein Kind lesen lernt, weil es mit der Schwester ein ABC-Lied singt und mit ins Buch schaut, ist auch eher fraglich.
Kreativität9