Lieselotte im Schnee von Alexander Steffensmeier

Lieselotte im Schnee

Apropos Schnee

Der erste Schnee fällt. Meine Kinder stürmen hinaus. Ich habe Mühe, ihnen noch schnell ihre Jacken und Mützen überzuwerfen. Während sie stumm und staunend im Hof stehen und den einzelnen, schüchternen, noch dünnen Schneeflöckchen nachschauen, die sachte zu Boden schweben, sitze ich drinnen am Computer und sehe mir die frischgeposteten Neuschneebilder meiner Freunde aus ganz Deutschland an.

Auch wenn dieser erste Schnee des Jahres – Moment mal, ist er das überhaupt? Hatte es denn im Januar und Februar gar keinen gegeben? Na, jedenfalls, wir wissen es ja: Dieser fisselige erste Schnee der kalten Jahreszeit ist weder druckfest, noch bleibt er liegen. Er legt sich wie eine dünne Schicht Zuckerwatte über die vom Dauerregen zermatschte Wiese und täuscht Boden vor, wo Schlaglöcher sind, täuscht Winter vor, wo Herbst ist. Und spätestens am nächsten Morgen wird von ihm nur noch hier und da auf überfrorenen, hastig zusammengerechten Laubhaufen eine weiße Zuckerhaube übrig sein. Dennoch strahlt er einen Zauber aus, bringt er eine Faszination mit sich, eine Vorfreude, ein Ankündigen einer besonderen Zeit, die es nur einmal im Jahr gibt.

Und auch wenn in wenigen Tagen die Flüche über Glatteis, Matsch und nasse Füße durch die digitale Welt geistern werden – heute posten meine Freunde von nah und fern alle voller Begeisterung ihre Zuckerschneebilder. Es sind erwachsene, weltgewandte und eigentlich nicht allzu verträumte Menschen. Doch egal um welche Uhrzeit ich mich einlogge: Ganz oben auf der Startseite taucht eines dieser selbsterklärenden Bilder auf, mit überflüssigen Titeln wie: „Erster Schnee“, „Es wird Winter“ oder „Es hat geschneit“. Ach nee, denke ich. Und jetzt?

Meine Kinder wissen genau, was jetzt. Während das eine zurück ins Haus rennt und in der Abstellkammer nach dem Schlitten kramt, formen sich unter den eiskalten roten Fingerchen des anderen Minimenschen drei kleine runde Schneebälle. Sie werden mit strahlenden Augen übereinander gesetzt und auf dem Gartentisch platziert. Für einen Schneemann ist eben nie zu wenig Schnee.

Und ich? Soll ich? Ach, was soll’s, wo ist die Kamera?

„Was machst du gerade?“, fragt Facebook.

„Der erste Schneemann des Jahres“, behaupte ich.

Mit besten Grüßen an meine Facebook-Freunde.


Kurzrezension

Lieselotte, die lustige Kuh aus der Feder von Autor Alexander Steffensmeier, ist in diesem Kinderbuch eine Postkuh, die mit dem Postboten gemeinsam Weihnachtspost und -pakete ausliefert.

Am Heiligabend darf sie eine Tasche voller Geschenke vom Postboten für ihre Freunde mit nach Hause auf den Bauernhof nehmen. Dabei verläuft sie sich im Schnee, rutscht aus, fällt hin, und die Geschenke geraten das erste Mal durcheinander. Es wird dunkel, sie verwechselt den Popo der Bäuerin, die sich gerade die Schuhe bindet, mit einem Monsterrachen und flüchtet panisch. Schließlich rutscht sie einen vermeintlichen Hügel hinab und landet im vertrauten Hof. Alle Geschenke geraten erneut durcheinander, und so kommt es, dass alle Bauernhofbewohner ihre vertauschten Geschenke ganz anders nutzen, als es der Postbote sich gedacht hatte. Aber das macht an Weihnachten nichts. Einzig den verpassten Kuss unter dem Mistelzweig mag der Postbote bedauern.
Den Text vorzulesen wäre auch in weniger als fünf Minuten machbar. Doch die großen, doppelseitigen Zeichnungen brauchen ihre Zeit, um besprochen und durchstöbert zu werden. Hier finden sich Details, die so liebevoll und witzig gezeichnet sind, dass erwachsene Vorleser genauso viel Spaß an dem Buch haben können, wie die Kinder. Auch der eine oder andere Witz wurde wohl eher für die Vorleser eingebaut. So steht bei den Bildern einer ans Ufer stolpernden und wegrutschenden Kuh die Bemerkung „Während Lieselotte leichthufig den Fluss überquerte…“.

Als Vorleser hat man die Wahl: Lässt man sich auf den Witz von Lieselottes Schöpfer ein, kann das Vorlesen dieser Geschichte auch gern zehn Minuten und länger dauern. Und das macht nichts.

Altersempfehlung: ab 3 Jahre
Vorlesezeit: 5 Minuten

Daten zum Buch „Lieselotte im Schnee“

Titel: Lieselotte im Schnee
Autor: Alexander Steffensmeier
Verlag: Sauerländer
Jahr/Auflage: 2010/6.

ISBN: 978-3794151752

 

Lieselotte im Schnee

TitelwahlBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt9
Titelwahl10
Aufmachung10Hardcover
liebevolle, lustige Zeichnungen
viele witzige Details, wie eine Ausgabe der "Farmer Vogue" im Stall, ein Huhn mit Feuerwehrhelm, das neben dem Adventskranz Wache schiebt und seinen Job am Ende der Geschichte an ein Küken abtritt, und ein Eichhörnchen, das seine Nüsse anhand eines Lageplanes findet.
Einzig der Fluss ist nicht sofort als Fluss zu erkennen.
Auf Seitenzahlen wird verzichtet.
Text/Sprache8Der Text bildet den Rahmen, die Bilder erzählen die Geschichte. Vereinzelt ergänzt der Vorleser automatisch Sätze.
Beispiel: Heute, am Heiligabend, dauert es besonders lange. "So, das war`s. Wir machen Feierabend", sagt der Postbote erschöpft.
Hier setzt man ein "schließlich" oder "endlich" vor dem "erschöpft" ein, um den ersten Satz zu bestätigen. Die Geschichte wird in der Vergangenheitsform erzählt.
Inhalt8Der Einstieg ist etwas abrupt, aber die Geschichte ist in sich abgeschlossen und wird auch verstanden, wenn man die Buchreihe vorher nicht kennt.
Pädagogische Themen9anderen eine Freude machen
Weihnachten vorbereiten und feiern
Angst haben
nach Hause kommen
Pädagogischer Wert7Das Buch schneidet zwar viele Themen an, konzentriert sich aber auf den Unterhaltungswert.
Schlüssigkeit/Logik6Wenn eine Kuh einen menschlichen Job übernimmt, ist es mit Logik natürlich nicht weit her.
Die Ausführung der Postbotenarbeit bis zum Heiligenabend und sich im Schneegestöber zu verirren ist dagegen schlüssig. Auch wie es zu dem Geschenkedurcheinander kommt, wird logisch dargestellt.
Kreativität10Sowohl die Geschichte als auch ihre Umsetzung in die Zeichnungen sind unverwechselbar originell.