Emil und die Prinzessin aus dem Nachbarhaus

Emil und die Prinzessin aus dem Nachbarhaus, Marianne Kaurin

„Willst du mit mir gehn, willst du?“ Wie lange ist das her, dass Nenas Liedzeile bei uns im Klassenzimmer noch auf kleinen Zettelchen hin- und hergeschoben wurde? Nennen die Kids von heute das eigentlich auch noch so: „Miteinander gehen“? Emil jedenfalls hat das Thema nie sonderlich interessiert – bis Florine in seine Klasse kommt.

Kurzrezension

Emil ist ein ganz normaler Junge von neun Jahren. Doch dann verliebt er sich in seine neue Mitschülerin. Florine wohnt gleich nebenan. Alles an ihr ist für Emil neu und interessant, ihr Aussehen, ihr Duft, ihre Stimme. Doch wie und über was soll er mit ihr reden?

Florine bemerkt Emils Interesse durchaus. Und sie schlägt ihm ein Spiel vor: Sie ist die Prinzessin und er ihr Diener. Als erwachsener Vorleser fragt man sich sofort: Warum um alles in der Welt lässt Emil sich nur darauf ein? Und warum lässt seine engste Vertraute, seine Oma, ihn so offensichtlich ins offene Messer laufen?

Emil hat einen guten Grund. Er sieht in diesem Spiel eine Chance, sich in Florines Nähe aufzuhalten. Ja, seine Rolle als Diener bietet ihm sogar die Möglichkeit, zu ihr nach Hause zu kommen und sehr viel Zeit mit ihr zu verbringen. Als normalen Jungen hätte doch eine Prinzessin jemanden wie ihn nie mitgenommen.

 

Emil jedenfalls geht in seiner Rolle als Florines Diener auf, er trägt ihren Ranzen, macht ihre Schulaufgaben, nennt sie Hoheit und erfüllt ihr jeden Wunsch. Und eines Tages geschieht das Unglaubliche: Prinzessin und Diener spielen richtig zusammen, wie Freunde – natürlich nur im Geheimen.

Denn in der Öffentlichkeit, in der Schule und im Park, da verbringt Florine neuerdings lieber ihre Zeit mit Alexander. Ausgerechnet Alexander. Emil nennt ihn euphemistisch einen seiner „weniger guten Freunde“. Denn genau genommen ist Alexander kein Freund. Er verspottet Emil, er verachtet ihn, er ärgert ihn.

 

Als Alexander sich den Arm bricht, wird die Situation für Emil nahezu unerträglich, denn nun bittet Florine ihn, ausgerechnet für Alexander den Ranzen zu tragen. Emil tut auch dies, wochenlang, denn Florine ist nunmal die Prinzessin und er ist der Diener. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: Als Florine ihn bittet, Alexander zu fragen, ob der mit ihr gehen möchte, erfüllt er ihr auch diesen Wunsch.

So kommt es also, dass Florine und Alexander offiziell zusammen gehen. Emil spürt richtige Schmerzen, wenn er daran denkt. Und als Alexander ihn wieder einmal ärgert, da hält Emil es nicht mehr aus: Er kündigt. Er erklärt Florine, warum er nicht mehr ihr Diener sein kann: Weil er sie liebt. Wie wird Florine auf das Geständnis reagieren?

 

Dieses Buch über die erste Liebe ist wirklich eine harte Nuss, denn es lässt den armen Emil durch so viele peinliche und demütigende Situationen gehen, dass es dem Leser schon selbst richtig weh tut. Wieso lässt der arme Junge sich so behandeln, warum vergisst er jeglichen Stolz, macht alberne Dinge, wie an Florines Pullover zu schnuppern?

Nun, die Menschen, ob groß, ob klein, machen seit Jahrhunderten die seltsamsten Dinge, wenn sie verliebt sind oder auch nur jemanden anhimmeln. Und nur zu leicht passiert es, dass die angehimmelte Person sich dies zunutze macht. Ab wann ein solches Missverhältnis zu demütigend wird und in Ausnutzung entartet, entscheidet nicht der außenstehende Beobachter, sondern der Mensch, der sich aus Liebe unterwirft. Er allein ist es, der seinen Stolz wiederfinden, sich aufrichten und sich aus der Situation befreien kann, in die ihn seine Gefühle gebracht haben. Emil zeigt uns allen, wie das geht: Mit Mut zur Wahrheit, auch, wenn es wehtut.

 

Altersempfehlung: 6-8 Jahre
Volumen: 127 Seiten

Daten zum Buch „Emil und die Prinzessin aus dem Nachbarhaus“

Titel: Emil und die Prinzessin aus dem Nachbarhaus
Autor: Marianne Kaurin
Verlag: Magellan
Jahr/Auflage: 2019/1.

ISBN: 978-3734840531

Emil und die Prinzessin aus dem Nachbarhaus

KriteriumBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt9
Titelwahl10
Aufmachung9Das Cover ist sympathisch, aussagekräftig genug und lustig. Leider verzichtet dieses Buch auf jegliche Bilder oder Zeichnungen innerhalb der Buchklappen.
Text/Sprache9Der Text ist hier und da etwas langatmig, die Schwärmereien von Emil zuweilen stark überzogen. Aber das Buch eignet sich dennoch zum kapitelweise Vorlesen.
Inhalt9Emil verliebt sich in seine neue Klassenkameradin. Als Florine ihm vorschlägt, er könne ihr Diener sein, lässt er sich ohne zu zögern auf das Spielchen ein. Doch eigentlich sind Emils Gefühle viel zu stark, um nicht ernst genommen zu werden. Emil hält es wirklich sehr lange durch, nur der Diener seiner Prinzessin zu sein. Doch eines Tages platzt ihm der Kragen.
Pädagogische Themen10erste Liebe
Scham
Gefühle zeigen
Freundschaft
Angst
Demütigung
Stolz
Selbstbewusstsein
Pädagogischer Wert8Emils Demütigung tut dem Leser richtig weh und esist schwer zu verstehen, warum er dieses Spiel so lange mitmacht. Zum Glück siegt am Ende sein Mut zur Wahrheit und durch seine Befreiung aus der Dienerrolle hat er tatsächlich die Chance, mehr für Florine zu werden.
Schlüssigkeit/Logik9
Kreativität10