„Da, ich hab eine gesehen!“ ruft die Große. „Wo?“ ruft der Lütte. Und konstatiert kurz darauf: „War gar keine.“ „Doch, da war grad eine“, behauptet seine Schwester. „Ich hab sie genau gesehen, die ist genau über uns gewesen.“
Wir haben es endlich einmal wieder geschafft: Statt der üblichen Zubettgehroutine haben wir uns mit den Kindern als es dunkel wurde in Decken eingemümmelt, vor’s Haus gesetzt und in den Nachthimmel gestarrt, um Fledermäuse bei der Jagd auf Insekten zu beobachten. Und wenn die Kinder nicht grad lautstark streiten, wer nun zuerst eine gesehen hat, dann kommen sie tatsächlich in kurzen Abständen durch die Dämmerung gehuscht.
Wir wohnen am Waldesrand, wo sich den nachtaktiven Tieren viele Verstecke bieten. Immer wieder kommen sie aus dem Wald geflattert, ziehen mit schnellem Flügelschlag einen großen Bogen über unser Grundstück hinweg und verschwinden wieder zwischen den Schatten der Baumwipfel.
Mit mehr oder weniger ausgeprägter Fachkompetenz versuchen wir, die Fragen der Kinder zu den flatternden Mäusen, die so gar nichts mit Nagetieren gemein haben, zu beantworten. In unser Wissen mischt die Große dann Bruchstücke aus diversen Kinderbüchern und alles, was sie im Kindergarten je zu Tieren gelernt hat.
Immer wieder flüstern wir und mahnen die Kinder, leise zu sein, um die Tiere nicht zu verschrecken. Denn nicht nur Fledermäuse kann man in der Dämmerung und nachts bei uns sehen und hören. Der Hund hat auch schon einmal ein Wiesel gestellt, dass sich nachts in sein Revier gewagt hatte. Manch eine Nachbarskatze wagt todesmutig die Abkürzung über unsere Wiese. Und war da nicht das Grunzen eines Wildschweines zu hören?
Viele Schatten und Geräusche gruseln die Kinder, aber in den warmen Decken und in unseren Armen ist kein Platz für Angst – das Gruseln ist eher eine Mischung aus Neugier und Faszination für das nächtliche Treiben in der Tierwelt.
Der Mond scheint durch einen dünnen Wolkennebel hindurch, die Luft riecht nach Regen. Ein jämmerlich klingender Schrei durchbricht die angemahnte Stille. „Was war das?“ ruft der Lütte. „Psssst“, rufen wir anderen. „Das war das Käuzchen“, flüstern wir ihm zu. „Neihein“, lacht er. „Das war doch kein Mäuschen.“ „Nicht MÄUSchen, KÄUZchen!“ „Käuzchen?“ „Genau, ein kleiner Kauz. Der wohnt im Wald.“
„Was ist ein Kauz?“ fragt die Große. „Das ist eine Eulenart.“ Wieder ertönt der Ruf des Käuzchens, es klingt fast wie das Miauen einer hungrigen Katze. „Da, das war er wieder“, meint der Papa. So recht will Junior das aber nicht glauben. „Das war doch keine Eule! Eine Eule macht huhuuuu. Huhuuuuuuuuu.“ Er nickt noch einmal zur Bestätigung und wir müssen unwillkürlich lachen ob seiner Ernsthaftigkeit.
Es wird noch eine Weile und viele Tierparkbesuche dauern, bis der Lütte uns glauben wird, dass Käuze auch Eulen sind. Und sein Huhuuu wird uns auch weiterhin zum Lachen bringen – wie das aktuelle Buch der Woche. Es ist so kauzig und voller unwillkürlichem Witz, dass es immer und immer wieder Spaß bringt, es vorzulesen. Und den Superkauz, den lässt der Lütte übrigens gerade so als Eule durchgehen.
Kurzrezension
Mitten in der Nacht im Stockfinsteren ist ein hungriger Kauz auf der Suche nach einer leckeren Mahlzeit. Um diese zu jagen, braucht es Verstand und Tricks. Superkauz ist nicht irgendein Kauz mit gewöhnlichen Kauztricks, nein, er ist der Meister der Verkleidung. Um seine Beute zu überlisten, wirft er sich in die erstaunlichsten Kostüme: Als Karotte will er das Häschen locken, als Mutterschaf das Lämmchen und als Vogeltränke die Taube.
Aber irgendwie ist heute der Wurm drin, nichts kappt. „Macht nichts“, meint Superkauz. Er kann warten. Aber der Hunger nagt. Da entdeckt er etwas, was nicht nur einem Kauz das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt: Eine Pizza! Pizza Pikante, die nach Salami schmeckt. Als was könnte er sich nur verkleiden, um die Pizza zu überlisten? Na klar: Als Kellner in der Pizzeria. Und diesmal wirkt die Verkleidung! Die Pizza läuft tatsächlich nicht weg!
Müßig, dem Kauz zu erklären, dass es weniger seine scharfsinnige Verkleidung war als die Tatsache, dass Pizzen nicht weglaufen können. Lassen wir dem sonderbaren Kauz sein Erfolgserlebnis und das leckere Abendessen. Denn Text und Bilder machen so viel Spaß, dass wir die Punkte Logik und Schlüssigkeit getrost aus der Wertung herauslassen. Natürlich erlegt ein Kauz kein lebendiges Lamm und natürlich hat auch Salamigeschmack auf Pizza zuweilen einen tierischen Ursprung. So ist eben die Natur: Raubvögel fressen Tiere. Man muss die Kinder vor solchen Wahrheiten nicht beschützen. Aber darum geht es den Schöpfern vom Superkauz sicher auch nicht. Worum es bei diesem Buch hauptsächlich geht, ist der Spaß an diesem abstrusen Heldencharakter. Manchmal muss Vorlesen auch einfach nur Spaß bringen, ganz ohne Lehre und Moral.
Trotzdem – wenn es hart auf hart genommen wird, kann auch diesem kurzweiligen Lesespaß ein Lernfaktor zugeschrieben werden: Der wiederkehrende Vers mit dem einprägsamen Reim wird schon nach dem ersten Mal von den Kindern mitgesprochen, der gruselig nachtschwarze Bildhintergrund verliert Seite um Seite an Bedrohlichkeit und der drollige Kauz bringt uns zudem die Erkenntnis, dass Geduld, Ausdauer und Witz zum Erfolg führen können.
Die Zeichnungen sind einfach, aber ausdrucksstark, und die Eule namens Superkauz wird noch viele Abende die Kinder in diesem Haus zum Lachen bringen.
Der Altersempfehlung des Verlags teilen wir nicht ganz. Der Humor ist für Zweijährige noch etwas zu schwierig. Dafür können aber auch Leseanfänger mit sechs sicher noch viel Spaß an dem Buch haben.
Altersempfehlung: 3-6 Jahre
Vorlesezeit: 5 Minuten
Daten zum Buch „Superkauz – Meister der Verkleidung“
Titel: Superkauz – Meister der Verkleidung
Autor: Sean Taylor, Jean Jullien
Verlag: Kunstmann
Jahr/Auflage: 2017
ISBN: 978-356142079
Superkauz
Titelwahl | Bewertung (1-10) | Begründung |
---|---|---|
Punkte gesamt | 10 | |
Titelwahl | 10 | |
Aufmachung | 10 | Hardcover quadratisch einfache aber ausdrucksstarke und knallige Zeichnungen, doppelseitige Bilder |
Text/Sprache | 10 | Die Sprache ist einfach, der Text kurz und groß gedruckt, sehr gut für Leseanfänger geeignet Der sich immer wieder wiederholende Vers mit dem Paarreim ist einprägsam und wird schnell von den Kindern beim Vorlesen mitgesprochen |
Inhalt | 10 | Der Superkauz ist auf der Jagd, denn er hat Hunger. Im Gegensatz zum normalen Kauz ist er ein Meister der Verkleidung, der sein potentielles Essen überlistet und mit Geduld bestens getarnt darauf wartet, zuschnappen zu können. Auch wenn es nicht immer klappt - er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. |
Pädagogische Themen | 9 | Ausdauer und Geduld Witz und Ideenreichtum Lesespaß |
Pädagogischer Wert | 8 | Die Stärke dieses Buches ist eindeutig sein Humor - und auch das ist ein pädagogischer Wert, denn so ein Buch bringt einfach Spaß. Zudem zeigt sich, das Witz, Geduld und Ideenreichtum am Ende ans Ziel führen. |
Schlüssigkeit/Logik | - | |
Kreativität | 10 |