Halt, nein, das ist keine Geschichte vom Kleinen und Großen braunen Hasen. Sieht aber so aus? Finden wir auch. Und das war auch der Grund, weshalb mein Kind es begeistert aus der Bücherkiste der Leihbibliothek zog. Die Enttäuschung währte aber nicht lang, denn Josi Hase ist auch irgendwie ganz okay.
Kurzrezension
Abgesehen von der Verwechslung mit den berühmten und beliebten „Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?“-Büchern täuschen Titel und Cover auch ein wenig in Bezug auf den Inhalt des Buches. Klar geht es hier um Familie, um Liebe und Geborgenheit. Aber vor allem geht es erst einmal um einen Streit, infolgedessen der kleine Hase Josi von Zuhause auszieht.
Mama Hase schimpft, denn Josi hat sich nicht gewaschen, keinen Morgensport gemacht und aufräumen will er auch nicht. Josi schimpft zurück, denn Mamas Regeln findet er blöd und Mama gleich dazu. Er will lieber bei seinen Freunden wohnen. Seine Schwestern weinen, aber Mama findet es nicht schlimm.
So zieht Josi zunächst zur Haselmaus. Eigentlich ist hier alles toll. Aber weil die Mäuse nie aufräumen, stolpert Josi ständig über die herumliegenden Sachen. Das mag er nicht, und deshalb zieht er zu den Dachsen. Rafi Dachs und seine Brüder müssen sich nie waschen – und so stellt Josi fest, dass es bei seinem Kumpel zuhause mächtig stinkt. Länger als eine Nacht hält er es deshalb auch hier nicht aus.
Bei der Eichhörnchenfamilie ist eigentlich auch alles ganz toll, nur die ewige Kletterei auf den Baum ist mächtig anstrengend, findet der kleine Hase. Und so zieht er weiter zu seinem Cousin Pepi. Dort ist es nun aber wirklich perfekt: Keiner stinkt, nichts liegt herum und statt Sport machen sie Ausflüge und Spiele. Wie das alles sein kann, ohne Waschen und Aufräumen? Das bleibt wohl Pepis Geheimnis. Jedenfalls merkt Josi trotzdem in den nächsten Tagen, dass ihm irgendetwas fehlt. Es hat zwar nie jemand versucht oder danach gefragt, aber für Josi war von Anfang an klar, dass weder die Haselmaus noch Mutter Dachs noch die Eichhörnchenmama oder seine Hasentante seine Öhrchen kraulen darf. Das durfte nur seine Mama. Die ist aber nun schon seit fünf, sechs, sieben – ja, acht Tagen nicht mehr da. Fällt das eigentlich niemandem auf?
Josi bekommt plötzlich so ein Drücken im Hals, ein Ziehen im Bauch und ein Pieksen im Herzen – ob das was mit dem fehlenden Ohrenkraulen zu tun haben könnte? Erfahren tut es der Leser nicht, denn weder am Anfang der Geschichte noch nach Josis Heimkehr werden die Ohren gekrault. Aber seine Mama ruft zumindest „Josi! Du bist wieder da!“ Und zumindest im Bild lässt sich erahnen, dass Josi und Mama und seine Schwestern sich freuen, dass er wieder zuhause ist.
Ein bisschen fehlen diesem Buch die entscheidenden Gefühle. Der Vorleser muss sie daher hier und da nennen, oder über die Umschreibung reden, denn sonst geht die Quintessenz fast verloren: „So lieb hab ich nur dich“ ist ein Buch über Familie, Heimat und Heimweh. Natürlich ist zuhause nicht immer alles schön und super, und manches bringt keinen Spaß. Aber so nervig Mamas Regeln manchmal auch sind, sie haben oft durchaus einen Sinn. Ob Josi das auf seinem Abenteuer erkannt hat, bleibt unklar. Zumindest hat er Mama vermisst.
Und was ist los mit dieser Hasenmutter? Ist sie nicht traurig und verletzt, weil der Sohn sie als „blödeste Mama der Welt“ betitelt? Woher nimmt sie die Gewissheit „Er kommt bestimmt zurück“? Hat sie gar keine Zweifel, dass es Josi woanders besser gefallen könnte? Vor allem angesichts der Tatsache, dass er über eine Woche unterwegs ist? Auch könnte man Mama Hase einmal ihr Schimpfen und ihre Regeln reflektieren lassen, Zeit zum Nachdenken ist ja genug. Ist es wirklich so wichtig, wann genau aufgeräumt wird, wann der Hase Sport macht und macht es Sinn, dass er sich vor dem Sport wäscht? Genau. Regeln ja, aber unter Berücksichtigung der Bedürfnisse aller – das wär’s doch. Schließlich müssen in einer Familie nicht nur die Kinder stetig dazulernen.
Die Geschichte ist ganz nett und flott erzählt, aber hier und da hätte man noch mehr daraus machen können. Ob die Ähnlichkeit in Titel und Cover zu den Figuren von McBratney und Jeram zufällig oder gewollt ist, bleibt Spekulation. Aber wer gezielt nach Büchern zum Thema „Zuhause“, „Weglaufen“ oder „Heimweh“ sucht, wird dieses Buch aufgrund des Titels nur schwerlich in Betracht ziehen.
Altersempfehlung: 3-6 Jahre
Vorlesezeit: 10 Minuten
Daten zum Buch „So lieb hab ich nur dich“
Titel: So lieb hab ich nur dich
Autor: Jutta Langreuter, Stefanie Dahle
Verlag: Arena
Jahr/Auflage: 2011 / 2.
ISBN: 978-3401096216
So lieb hab ich nur dich
Titelwahl | Bewertung (1-10) | Begründung |
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Punkte gesamt | 9 | |
Titelwahl | 7 | Der Titel erinnert an "Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?", und weißt nicht darauf hin, worum es in der Geschichte geht. |
Aufmachung | 9 | Hardcover Din A 4 Schöne, stimmige Bilder in warmen Farben mit niedlichen Tieren Das Cover täuscht allerdings ebenso wie der Titel eine Nähe zu den Geschichten um den Großen und Kleinen braunen Hasen vor. |
Text/Sprache | 9 | Der Text ist kindgerecht geschrieben und eignet sich abgesehen von Worten wie Brennesselsalat, Wurzelauflauf und Eichhörnchenwohnung auch für Leseanfänger. |
Inhalt | 9 | Josi Hase will von Zuhause ausziehen, weil er genervt ist von Mamas Regeln. Nacheinander zieht er zu seinen Freunden, die er alle mag und bei denen es auch irgendwie schön ist - aber irgendetwas stört Josi dann doch. Und irgendwie scheinen die Regeln, die es zuhause gibt, gar nicht so unsinnig zu sein, wie Josi bisher dachte. Schließlich zieht er zu seinem Cousin Pepi. Hier ist nahezu alles perfekt - bis auf dieses Drücken im Hals und das Bauchweh und den Herzschmerz. Denn Josi vermisst seine Mama. Deshalb kehrt er dann doch schnellstens nach Hause zurück. |
Pädagogische Themen | 10 | Streit Weglaufen Familie Heimweh Bindung Regeln |
Pädagogischer Wert | 8 | Josis Hasenmutter lässt ihr Kind losziehen, damit es selbst herausfinden kann, ob sein Zuhause zum Davonlaufen ist. So weit, so gut. Josi merkt nach und nach, dass Mamas Regeln manchmal Sinn machen und dass es überall ganz nett sein kann, aber zuhause doch am Schönsten ist. Die Einsicht erfolgt hier ganz allein beim Kind, eine Reflektion, ob Mamas Regeln wirklich so streng ausgelegt werden müssen, erfolgt nicht. Auch scheint Mama Hase kein Problem damit zu haben, als "blödeste Mama" bezeichnet zu werden und wartet über eine Woche untätig, bis das Kind heimkommt. |
Schlüssigkeit/Logik | 9 | Warum bei Cousin Pepi Regeln wie Aufräumen, Waschen und Sport machen offenbar nicht gelten, aber im Gegensatz zu den anderen Freundeswohnungen hier trotzdem keiner stinkt und nichts herumliegt, ist etwas unlogisch. |
Kreativität | 9 |