„Du gehörst nicht dazu!“ Ein Kinderbuchtitel, der hellhörig macht, auch oder besonders, weil das Wort „nicht“ mit Rotstift durchgestrichen wurde. Auf dem Cover sieht man vier Kinder, zwei tuscheln, eines macht sich stark, ein anderes steht abseits und wirkt eingeschüchtert und hilflos. Genau so stellt man sie sich vor, die Außenseiterrolle. Und die wünscht man keinem Kind, schon gar nicht dem eigenen.
Kurzrezension
Wie ist es nur dazu gekommen? Tommi ist immer gern in den Kindergarten gegangen. Doch der neue Junge, Johannes, macht ihm vom ersten Tag an das Leben schwer. Er verspottet ihn, geht ihn körperlich an und nimmt ihm Sachen weg. Und die anderen Kinder, sogar die, die eigentlich seine Freunde sind, lachen oder schauen weg. Warum hilft ihm keiner?
Der kleine Tommi mag weder seiner Mutter noch seiner Erzieherin erzählen, wie schrecklich er sich fühlt. Obwohl die Erwachsenen merken, dass hier etwas nicht stimmt, schreiten sie zunächst nicht ein. Sie fragen zwar einmal nach, doch das reicht nicht, um Tommi aus der Deckung zu holen. Erst, als sein Freund Lukas sich für ihn einsetzt und die Erzieherin ins Boot holt, ändert sich etwas. Durch ein Rollenspiel vermittelt die Erzieherin den Kindern, wie es sich anfühlt, Außenseiter zu sein. Die Kinder verstehen, wie Tommi sich gefühlt hat, und beziehen ihn wieder in die Gruppe ein. Er gehört wieder dazu. Auch Johannes ändert sein Verhalten.
Diese Herangehensweise ist ein Vorschlag, wie man im Kindergarten eine beginnende Mobbingsituation auflösen könnte. Insgesamt aber wird deutlich, wie wichtig es ist, zu seinen eigenen Kindern eine Beziehung aufzubauen, in der sie den Mut haben, ihre Probleme zu äußern und sich Hilfe zu suchen. Ebenso wichtig ist es, die Kinder zu ermutigen und zu bestärken, damit sie gar nicht erst in die „Opferrolle“ hineinrutschen können und auch in schwierigen Situationen zu ihren Freunden halten, und diese nicht allein lassen. Dafür findet sich am Ende des Buches ein klug geschriebener Aufruf an Eltern, ihren Kindern zuzuhören und ihnen Rückhalt zu geben.
Etwas zu kurz kommt hier die Rolle des „Täters“ und seiner Familie. Wie kommt es dazu, dass ein Kind sich über andere erhebt, andere erniedrigt, sich darüber amüsiert, wenn es anderen schlecht geht? Wie kommt es dazu, dass so viele Kinder zu Mitläufern und Mittätern werden? Diese Themen werden zwar im Text der Pädagogin Schäfer am Ende des Buches angesprochen, jedoch in der Geschichte um Tommi und seine Kindergartengruppe findet sich nur der Hinweis von Tommis Freund Lukas, der entschuldigend sagt: „Vor Johannes haben wir alle ein bisschen Angst.“
„Du gehörst nicht dazu!“ ist ein notwendiges Kinderbuch zu einem Thema, vor dem die Erwachsenen nicht die Augen verschließen dürfen. Wir müssen unsere Kinder stark machen, ihre Gefühle ernst nehmen und ihnen zuhören. Das wäre ein Anfang, um Empathie wieder ein wenig mehr zu verbreiten.
Altersempfehlung: 4-8 Jahre
Vorlesezeit: 10 Minuten
Daten zum Buch „Du gehörst nicht dazu!“
Titel: Du gehörst nicht dazu!
Autor: Antje Szillat, Miriam Cordes
Verlag: Coppenrath
Jahr/Auflage: 2011
ISBN: 978-3815792599
Du gehörst nicht dazu!
Titelwahl | Bewertung (1-10) | Begründung |
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Punkte gesamt | 10 | |
Titelwahl | 10 | |
Aufmachung | 10 | Hardcover Teilweise doppelseitige, teilweise mehrere kleinere Szenenbilder begleiten die beschriebene Handlung. Die Figuren und Räumlichkeiten werden realitätsnah dargestellt. |
Text/Sprache | 9 | Der Text ist recht lang, doch durch die vielen Abschnitte wörtlicher Rede lässt er sich gut betont vorlesen. Für Erstleser sind die Satzgefüge allerdings teilweise etwas anspruchsvoll. |
Inhalt | 10 | In Tommis Kindergartengruppe ist seit kurzem ein neuer Junge namens Johannes. Und der hat es auf Tommi abgesehen und triezt ihn, wo er nur kann. Die anderen Kinder in der Gruppe schauen weg oder lachen Tommi sogar aus. Nicht einmal seine Freunde halten zu ihm. Tommi mag mit niemandem darüber reden, weil er sich schämt. Am liebsten würde er gar nicht mehr in den Kindergarten gehen. Als Johannes ihn wieder ganz arg ärgert, versteckt sich Tommi und muss weinen. Da endlich hilft ihm sein bester Freund Lukas, indem er der Erzieherin alles erzählt. Die bringt das Thema "Außenseiter sein" spielerisch in die Gruppe ein und bespricht es anschließend mit den Kindern. Alle Kinder haben verstanden, wie schrecklich es ist, wenn man ganz allein ist und niemand mit einem reden oder spielen will. Tommi gehört wieder zu ihnen dazu und auch Johannes ändert sein Verhalten. Im Anschluss an die Geschichte werden drei Spiele vorgeschlagen, die den Kindern beim Umgang mit ihren Gefühlen helfen sollen. Es folgt ein Nachwort einer Mediatorin. |
Pädagogische Themen | 10 | Mobbing Alleinsein Freundschaft Angst |
Pädagogischer Wert | 9 | Alle hier angesprochenen Themen sind elementar für Kinder in sozialen Gefügen wie Kindergarten oder Schule. Allerdings kommt die Rolle der Eltern in dieser Geschichte zu kurz. Tommis Mutter merkt zwar, dass es ihrem Sohn nicht gut geht, doch trotzdem lässt sie ihn allein im Kindergarten zurück, ohne seine Erzieherin zu fragen, ob etwas vorgefallen ist und ohne diese darum zu bitten, auf Tommi einmal genauer zu achten. Die Erzieherin erklärt, dass sie bemerkt hat, dass Johannes Tommi oft ärgert, aber dass sie gehofft hat, dass sich alles von selbst erledigt. Spätestens aber wenn es um das Wegwerfen von Essen und das "Bein stellen" geht, würde man von einer Erzieherin jedoch ein Einschreiten erwarten. Die Mutter von Johannes wird gar nicht erst auf die Problematik angesprochen, die Gründe, weshalb Johannes so gemein ist und sich ein Opfer herausgepickt hat, werden nicht hinterfragt. Abgesehen von dieser anfänglichen Passivität der Erwachsenen ist die Geschichte um Tommi jedoch ein guter Gesprächseinstieg zum Thema "Mobbing". |
Schlüssigkeit/Logik | 9 | Es erschließt sich nicht, warum die Erwachsenen sich so passiv verhalten, obwohl es Tommi ganz offensichtlich sehr schlecht geht und er ganz allein da steht. |
Kreativität | 10 |