Der Igel kommt allein zurecht

Der Igel kommt allein zurecht

Der Igel kommt allein zurecht, Ulf Stark, Ann-Cathrine Sigrid Stählberg

„Mama, das kann ich schon alleine.“ Okay, den Satz hör ich schon seit Langem immer wieder mal. Und oft hat mein Kind auch Recht: Vieles kann es wirklich schon alleine. Sich anziehen, den Hund Platz machen lassen, die Ziegen füttern und das Müsli mit Milch anrühren. Aber bei den meisten Dingen, vor allem außerhalb unseres sicheren Zuhauses, da braucht mich mein Kind noch.
Ich bringe es zum Kindergarten und hole es wieder ab, und genauso wird es laufen, wenn es in die Schule kommt. Ich sorge dafür, dass es sich einigermaßen gesund und ausgewogen, vor allem aber regelmäßig ernährt. Ich kenne jeden Menschen, der Kontakt zu meinem Kind hat, und ich bestimme die Dosis.
Aber das wird nicht immer so bleiben. Eines Tages wird mein Kind allein zur Schule fahren oder eine Freundin besuchen wollen. Oder gar einen Freund. Eines Tages wird mein Kind selbst entscheiden, ob es etwas isst, oder sich von purem Wasser ernährt, ob es zum Arzt geht, wenn es krank ist und wem es sein Vertrauen schenkt.
Ich bin ganz ehrlich: Da graut es mir jetzt schon vor: Der Moment, an dem ich mein Kind das erste Mal einen Weg alleine beschreiten lassen muss. Der Tag, an dem ich es loslassen muss. Der Tag, ab dem mein Kind selbstständig und erwachsen genug ist, seinen Weg alleine zu gehen, Mamas schützende Hand wegzuschieben, abzubiegen und neue Wege zu beschreiten. Ganz ohne mein wachsames Auge, ganz ohne meinen Schutz.
Da werde ich gar nichts gegen tun können. Ich werde nicht einmal über den genauen Zeitpunkt entscheiden können. Es liegt dann nicht mehr in meiner Hand.
Was bleibt mir übervorsichtigen Mutter also? Genau: Ich versuche vom ersten Tag an meinem Baby alles an Wissen und Erfahrung in sein Herz und Hirn zu infiltrieren, was ich aus meiner Sicht für lebensnotwendig erachte. Ich versuche, meinem Kind alles zu geben, was ich an Weisheit aufbringen kann und es zu einem gesunden Maß an Vorsicht und Mut zu erziehen. Ich versuche, meinem Kind bei der Entwicklung von Menschenkenntnis zu helfen und es stark zu machen für die große, böse Welt, die doch gleichzeitig so viel Großartiges und Wunderbares für ein Kind zu bieten hat.
Und wenn es dann loszieht, hinaus aus meiner Obhut, dann rufe ich dem Staub des davon rauschenden Fahrrades noch ein „Sieh dich vor!“ hinterher.
Und dann setze ich mich in meinen Sessel, trinke einen Beruhigungstee und lese mir selbst ein Buch aus der Zeit, als mein Kind noch klein war, vor: „Der Igel kommt allein zurecht“.

Kurzrezension

Die Geschichte vom kleinen Igel, der seine Mama verlässt und sich ganz allein im Wald einen Winterschlafplatz sucht, ist so zauberhaft niedlich und menschlich, dass ich es ganz ehrlich jeder Familie ans Herz legen kann. Gleichzeitig ist es köstlich albern, gespickt mit Szenen und Dialogen, die für den Verlauf der Geschichte so dermaßen unwichtig und dennoch allerliebst sind, dass man manchmal nicht weiß, ob Ikea uns mit diesem Buch nicht einfach nur foppen will.
Auf jeden Fall ist „Der Igel kommt allein zurecht“ ein Spaß für die ganze Familie. Als Beobachter am Rande, wie die Mücken und Käfer, die Bienen und Ameisen, die den Weg des Igels kreuzen, sehen wir dem Igel dabei zu, wie er versucht, es dem Frosch gleichzutun, und feststellt, dass Fliegen mit der Zunge fangen und Baden einfach nicht sein Ding sind. Wir erleben, wie die Feldmaus zuerst ihm hilft, und er anschließend der Maus das Leben rettet. Wir begegnen dem Elch und dem Eichhörnchen, die beide ohne Belang den Weg von Igel und Maus kreuzen, und schauen dem Fuchs bei der vergeblichen Jagd nach den beiden Freunden zu. Dabei werden die Kinder ganz nebenbei mit der Vielfalt der Waldbewohner bekannt gemacht, lernen Pflanzen wie Tiere kennen und erkennen beim Kampf des Igels mit der Schlange, dass Mut nichts mit Körpergröße zu tun hat.

Die Zeichnungen in diesem Buch sind ausgesprochen niedlich und man findet auf jeder Seite, wenn man genau hinsieht, ein paar Begleiter des Igels wieder: Den Marienkäfer, die Ameisen und Bienen und eine Spinne. Sie alle beobachten genau, wie der Igel allein zurecht kommt. Glücklicherweise ist er eigentlich nie ganz allein. Er findet Freunde und Wegbegleiter und lernt unterwegs eine ganze Menge nützliche und weniger nützliche Dinge von der Feldmaus. Wer weiß schon, wofür es gut ist, wenn die Maus ihm einen Hasenkötel zeigt. Es gibt so viel unnützes Wissen auf dieser Welt, da ist das Lesen von Spuren und tierischen Hinterlassenschaften kaum Ballast für das Gehirn des wissbegierigen kleinen Igels.
Am Ende findet der Igel im Bären einen Höhlenpartner für den Winterschlaf. Nun kann er sich ausruhen und von den Abenteuern träumen, die im Sommer auf ihn warten.

Ein besonders niedlicher Clou sind die Fußspuren der unterschiedlichen Tiere des Waldes, die man auf der vorderen inneren Umschlagseite findet. Sie laufen kreuz und quer und finden sich auf der hinteren Umschlagseite wieder, wo sie in geordneten Bahnen verlaufen und den einzelnen Tieren zugeordnet werden.
„Der Igel kommt allein zurecht“ ist nicht immer schlüssig und logisch, aber immer, wirklich immer liebevoll und lustig gezeichnet und geschrieben und hat sich zu einem der Lieblingsbücher meines Kindes entwickelt.

Altersempfehlung: 3-7 Jahre
Vorlesezeit: 10 Minuten

Daten zum Buch „Der Igel kommt allein zurecht“

Titel: Der Igel kommt allein zurecht
Autor: Ulf Stark, Ann-Cathrine Sigrid Stählberg
Verlag: Vandring
Jahr/Auflage: 2011 – ein Produkt der Ikea Family

Der Igel kommt allein zurecht

TitelwahlBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt10
Titelwahl10
Aufmachung10Hardcover
ausgesprochen niedliche und charmante Zeichnungen, rechts ganzseitig, links vom Text durchbrochene szenische Darstellungen
Text/Sprache9Der Text ist angenehm vorzulesen, die wörtliche Rede bietet die Vorlage für lustige Betonung und Rollenlesen.
Inhalt9Der kleine Igel ist nun groß genug, um allein zurechtkommen zu können. Seine Mutter verabschiedet sich von ihm und gibt ihm noch gute Ratschläge mit auf den Weg. Der Igel ist stolz, dass er schon so groß ist, aber da er noch nicht genug gelernt hat, fällt es ihm schwer, alles richtig zu machen. Zum Glück lernt er eine Maus kennen, die ihm durch die ersten Abenteuer hilft und ihm einiges beibringt, zum Beispiel, dass Fliegenpilze giftig sind. Im Gegenzug rettet dann auch der Igel der Maus das Leben, als die Eule sie verspeisen will. Doch irgendwann muss die Maus wieder nach Hause und der Igel muss allein weitergehen, um sich einem Platz für den Winter zu suchen. Doch schon bald findet er einen neuen Gefährten, den großen Bären. Er warnt ihn vor der Kreuzotter und darf dafür in seiner Höhle überwintern.
Pädagogische Themen10Freundschaft
Familie
erwachsen werden
Mut
Lernen
Pädagogischer Wert10Der Schlussgedanke des kleinen Igels fasst die Botschaft des Buches zusammen: "Es ist einfacher, allein zurechtzukommen, wenn einem andere dabei helfen." Und erwachsen werden ist ein langer Weg mit vielen Gefahren. Es kommt der Zeitpunkt, an dem die Kinder sich von den Eltern lösen und ihren eigenen Weg gehen, und es ist nie verkehrt, wenn die Kinder sich die wichtigsten Lehren ihrer Eltern merken, die im Kern die Aussage der Igelmutter treffen: "Pass nur auf vor all den Gefahren. Und lern, so viel du kannst."
Schlüssigkeit/Logik-
Kreativität10