Schweden ist nicht nur für Ikea und Knäckebrot bekannt, sondern auch für seine spannenden Krimis. Andreas Schlüter lässt daher seine Spürnasengeschwister Joanna und Finn aus der Reihe City Crime nach Stockholm reisen, um ein neues Kriminalabenteuer zu erleben.
Kurzrezension
Die Geschwister Finn und Joanna verbringen ihre Ferien in Stockholm bei ihrem Cousin Oscar und seinen Eltern. Kaum gehen sie in die Stadt, um nach neuen Schuhen für Finn zu suchen, da machen sie eine seltsame Entdeckung: Ein offenbar obdachloser Bettler sitzt am Boden und rührt sich nicht, auch dann nicht, als sie ihm etwas Geld geben wollen. Im Gegenteil: Als Joanna ihn anstupst, kippt er leblos zur Seite. Überzeugt davon, eine Leiche gefunden zu haben, laufen die Kinder los, um einen Polizisten vor dem Parlamentsgebäude zu alarmieren.
Doch als sie zu dem Platz zurückkommen, an dem sie den Toten entdeckt hatten, ist der Mann verschwunden. Joanna wittert ein Verbrechen und Oscar ist gleich Feuer und Flamme bei dem Gedanken, mit Joanna in einen Kriminalfall verwickelt zu werden. Die Spurensuche erweist sich als schwierig. Einzig ein Strichcode in einer zufällig gefundenen Streichholzschachtel und das scharfe Auge des obdachlosen Mädchens Ronja, die sich den drei Hobbydetektiven anschließt, lassen darauf schließen, dass hier wirklich etwas nicht stimmt, in Stockholm. Die Kinder spüren den Totgeglaubten wieder auf. Doch ehe sie mit ihm reden können, wird er vor ihren Augen entführt.
Erweist sich der Einstieg in die Geschichte zeitweise als etwas langatmig durch die gezwungen wirkenden Einstreuungen einiger Klischees zu Schweden im Allgemeinen und Stockholm im Besonderen, so nimmt die Geschichte nun langsam an Fahrt auf. Es gelingt den Kindern, Oscars Eltern in die Irre zu führen und sich als nächtliche Wohltäter getarnt unter die Obdachlosen Stockholms zu mischen, um herauszufinden, was sie ohnehin schon ahnten: Der Entführte ist gar kein echter Obdachloser. An einem Kanal, an dessen Ufer Hausboote liegen, nehmen sie die Spur der Entführer wieder auf. Es gelingt den Kindern, das Opfer zu befreien. Jenes stellt sich als kluger Professor heraus, der eine wichtige und wertvolle Formel entwickelt hat, für die so mancher Pharmaboss zum Verbrecher werden würde.
Seltsamerweise möchte der befreite Professor die Polizei nicht einschalten. Die Entführer, welche von den Kindern noch schnell im Boot eingesperrt werden, überlassen sie daher sich selbst. Alle fünf sind überzeugt davon, ohne Polizei leichter an die Hintermänner des Verbrechens heranzukommen.
Also fliehen die Kinder erst einmal mit dem Molekularbiologen in seine Wohnung, um anschließend ihn und die obdachlose Ronja in ein Hotel ziehen zu lassen. Sie selbst kehren endlich wieder heim, wo übrigens keine sich wundernden oder gar sorgenden Eltern auf sie warten. Im Gegenteil: Die Eltern von Oscar, die ja eigentlich die Aufsichtspflicht über ihre Gäste haben, spielen nicht einmal mehr eine Nebenrolle in dieser Geschichte.
Von nun an wird die Geschichte leider trotz rasanter und auch durchaus spannend werdender Erzählweise noch etwas unglaubwürdiger und abstruser. Die Kinder verstecken die Streichholzschachtel mit dem Code, der zur Wunderformel führen kann, im Lindgren-Museum. Auf diese Weise kann noch ganz nebenbei ein bisschen Lokalkolorit durch die Beschreibung der Ausstellung eingebracht werden. Dann stellen sie den Verbrechern mithilfe anderer Obdachloser eine Falle. Die schnappt zwar nicht ganz so zu, wie geplant, aber dafür kann abermals der Stadtplan von Stockholm herangezogen werden, um Verwirrung zu stiften. Am Ende darf dann doch die Polizei die Verbrecher festnehmen. Die Kinder werden gelobt und die Belohnung soll an Ronja gehen. Da diese dann auch noch großzügig vom Professor seine Stadtwohnung angeboten bekommt, hat ihr Straßenleben nun ein Ende.
Die Grundidee, Geschwister im Urlaub Kriminalfälle lösen zu lassen und dabei ganz nebenbei bei den jungen Lesern Interesse für verschiedene Großstädte zu wecken, ist gut. Auch eignet sich Culture Clash wie das Aufeinandertreffen von deutschen Geschmäckern und schwedischem „Schimmelfisch“ immer für einen Lacher. Hier aber hapert es leider an der Umsetzung. Die Beschreibung des Settings wirkt sehr krampfhaft. Das Einstreuen der Sehenswürdigkeiten klingt teilweise wie aus dem Reiseführer abgelesen, sodass man dem Autor den Insider leider nicht abnimmt. Da hilft auch der Schwedischwortschatz am Buchende nicht. Die wenigen eingestreuten schwedischen Begriffe werden ohnehin direkt im Fließtext erklärt. Nebenbei eingeworfene Hinweise auf gesellschaftliche und politische Probleme wie Terroranschläge und Obdachlosenmilieu sind so knapp, dass man sie sich auch sparen kann.
Die Witze – beispielsweise der Straßenname „Blasieholmskajen“ und der Spruch über „Abba, diese uralte Popgruppe, die kein Mensch kennt“ – sind wirklich etwas arg platt. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Zwölf- bis Dreizehnjährige sich wegen des Nobelmuseums oder einer Astrid Lindgren-Ausstellung auf Stockholm freuen, wirkt auch nicht sehr authentisch, ist doch die Zielgruppe Lindgrens eine eher jüngere Leserschaft. Im Junibacken dann aus einer Gondel zu springen, um den Strichcode dort zu verstecken – auch das ist nicht sehr logisch und auch nicht modern oder clever, wenn doch die Formel selbst in der virtuellen Welt versteckt ist. Vielmehr bekommt man den Eindruck, die Szene dient eben einem beschreibenden Ausflug in eine der Sehenswürdigkeiten Stockholms.
Geschichten mit Lokalkolorit, auch das ist ja grundsätzlich eine gute und meist funktionierende Idee. Man bekommt aber hier beim Lesen leider das Gefühl, dass die Zutaten vor der Geschichte da waren, weshalb die Erzählung nicht stringent und durchdacht wirkt. Die Figuren bleiben zudem unscharf. Vor allem über Ronja und Oscar erfährt man viel zu wenig. Wie lebt es sich als Jugendlicher in Schweden, was machen Oscars Schulfreunde so den ganzen Tag in den Ferien, wie ist Ronja auf der Straße gelandet? Hierzu gibt es keine Antworten. Finn hingegen nervt schon nach wenigen Seiten mit seiner permanenten Genervtheit. Joanna lebt mehr von den Einwürfen über vergangene Heldentaten, durch die man freilich ein wenig Werbung für die bisherigen Bände der Reihe einfließen lässt. Die Ideen und Pläne der Kinder entbehren an vielen Stellen jeglicher Logik, was durch enorme Zufälle wieder ausgeglichen werden muss.
Dennoch, trotz aller Kritik ist nicht auszuschließen, dass die Reihe City Crime junge Leser sogar begeistern kann. Abenteuergeschichten und das Lösen von Fällen ohne Hilfe Erwachsener fuktionierten schon bei Blyton und anderen. Als Ferienlektüre im Flieger oder Auto und natürlich, wenn man tatsächlich eine Reise nach Stockholm plant, ist das Buch also durchaus geeignet. Das empfohlene Lesealter kann man aber locker zwei Jahre herabsetzen, denn es kommt erfreulicherweise ohne Gewaltszenen und Leichen aus. Für eine Fortsetzung der Reihe darf man aber gerne mehr Wert auf Logik und Authentizität setzen.
Altersempfehlung: 8-10 Jahre
Lesezeit/Volumen: Seiten
Daten zum Buch „City Crime – Strichcode in Stockholm“
Titel: City Crime – Strichcode in Stockholm
Autor: Andreas Schlüter
Verlag: Tulipan
Jahr/Auflage:2018 / 1.
ISBN: 978-3864293863
City Crime - Strichcode in Stockholm
Kriterium | Bewertung (1-10) | Begründung |
---|---|---|
Punkte gesamt | 8 | |
Titelwahl | 9 | Der Strichcode - obwohl Hauptgegenstand des Verbrechens - spielt eine Nebenrolle. |
Aufmachung | 10 | Cover und Zeichnungen überzeugen durch Farbgebung und Ausdruck. Hier wurde wirklich gute Arbeit geleistet. |
Text/Sprache | 7 | Der Text neigt trotz überschaubarer Länge zur Langatmigkeit. Die Sprache klingt an einigen Stellen gezwungen anbiedernd und trifft dennoch kaum den Nerv der Zielgruppe. |
Inhalt | 9 | Die Geschwister Finn und Joanna stoßen in ihrem Urlaub in Stockholm auf einen spannenden Kriminalfall. Ein Totgeglaubter Obdachloser wird vor ihren Augen entführt und entpuppt sich nach seiner Befreiung als Professor, der eine wertvolle Formel entwickelt hat. Auf diese haben es Verbrecher abgesehen, welche von den Kindern mithilfe einiger Obdachloser dingfest gemacht werden können. |
Pädagogische Themen | 8 | Freundschaft Hilfsbereitschaft Geschwisterzwistigkeiten Leben auf der Straße |
Pädagogischer Wert | 8 | Sowohl die positiven als auch die negativen EIndrücke aus dem Obdachlosenmilieu erscheinen etwas zu plakativ. Der Dauerzwist zwischen den Geschwistern nervt schnell und die Ahnungslosigkeit der Eltern und das "Kindern glauben wir erstmal nicht" der Polizei ist auch zu einseitig. |
Schlüssigkeit/Logik | 5 | Ja, nee, sorry. Hier hapert es an zu vielen Stellen. Okay, ein Beispiel: Die Kinder hören Schritte, als sie am Ufer stehen und die Hausboote betrachten. Schnell springen sie auf eines der Boote und verstecken sich. Die Verbrecher - deren Schritte man so gut hören konnte - hören ihrerseits das aufs-Boot-springen von vier Kindern nacheinander nicht, obwohl Oscar dabei sogar noch mit dem Bein gegen die Reling knallt. Und die Verbrecher haben natürlich auch nicht den Schein der Taschenlampe der Kinder gesehen. Hm. |
Kreativität | 9 |