Zeit ist etwas Wunderbares und äußerst Wertvolles. Als Kind hat man meist noch sehr viel davon: Zeit zum Spielen, Zeit zum Kuscheln, Zeit zum Essen oder Schlafen. Zeitbegriffe und die Einteilung der Zeit in greifbare, nachvollziehbare Zeiträume ist jedoch etwas, das Kinder erst nach und nach verstehen lernen. Vorfreude und Warten müssen gehören dazu.
Kurzrezension
In den ersten Lebensjahren bereitet es Eltern oft Schwierigkeiten, in der Kommunikation mit den Kindern Zeitbegriffe außen vor zu lassen. Was nützt es, einem weinenden Baby ein „Ich komme gleich“, oder „Essen ist in fünf Minuten fertig“ zuzurufen, fragt man sich, denn das Kind schaut einen dann mit großen Augen an und versteht eigentlich nur eines: „Nicht jetzt.“ Jetzt, sofort und unverzüglich aber sind die Bedürfnisse und Wünsche von Kindern. Jeder Zeitbegriff, der darüber hinaus geht, muss erst einmal kennengelernt, erlebt, erfasst und verstanden werden. Ein gutes Alter, um Zeiträume kennenzulernen, ist das Vorschulalter von vier oder fünf Jahren. So wählte auch die Autorin dieses Alter für ihre Protagonistin Sophia.
Sophia hat Geburtstag. Und weil der Tag so schön war, will sie abends von ihrer Mutter wissen, wie oft sie noch schlafen muss, bis sie wieder Geburtstag hat. Die Mutter nennt ihr keine Zahl, sondern sagt, dass es noch ein ganzes Jahr dauert. Daraufhin will das Kind wissen, wie lange ein Jahr ist. Die Mutter verspricht, ihr eine Jahreszeitengeschichte zu erzählen.
Eine wirkliche Geschichte erzählt die Mutter allerdings nicht. Es bleibt bei einer Aneinanderreihung von Ereignissen in Winter, Frühling, Sommer, Herbst und wieder Winter. Die erzählten Ereignisse werden in den Zeichnungen anschaulich dargestellt. Aber weder die beschriebenen Figuren noch die Zeichnungen hinterlassen tiefere Eindrücke. Hier und da lässt die Mutter ihr Kind etwas zu der Erzählung beitragen. Zum Beispiel zählt Sophia die Frühlingsblumen auf, die sie kennt, oder erinnert sich daran, dass die Familie im Sommer immer in die Ferien ans Meer fährt. Auch wirft sie ein, als was sie sich an Fasching verkleiden möchte.
Fasching, Ostern, Erntedank, St. Martin, Nikolaus und Weihnachten und Silvester werden als Feiertage aufgezählt, Weihnachten wird dabei als das größte und schönste Fest bezeichnet, weil die Geburt des Jesuskindes dann gefeiert wird. Dieser christliche Bezug wird bei den anderen erwähnten Festtagen nicht einmal erwähnt. Das wirkt etwas konzeptlos und oberflächlich. Auch bezieht sich die Beschreibung der Jahreszeiten eindeutig auf ein Leben in Deutschland. Dass es Orte gibt, an denen die Jahreszeiten nicht mit denselben Wettererscheinungen oder Festen in Verbindung zu bringen sind, bleibt außen vor.
Die Mutter wird anfangs als „Mami“ bezeichnet, im weiteren Verlauf schaffen Satzteile wie „sagt die Mutter“ oder „erzählt die Mutter weiter“ dann aber eher eine künstliche Distanz zu den Figuren. Die erzählten Ereignisse kennen Kinder gut und sie können den Verlauf des Jahres anhand von BIldern und Text gut nachvollziehen. Eine Identifikation mit Sophia und ihrer Familie ist aber kaum möglich, dazu bleiben die Figuren zu fremd. Aus den Zeichnungen geht beispielsweise hervor, dass Sophia einen Bruder hat, er bleibt aber gänzlich unerwähnt.
Die Titelfrage „Wie lange ist ein Jahr?“ wird nicht direkt beantwortet. Maßeinheiten der Zeit wie Stunden, Tage, Wochen oder Monate werden nicht behandelt. Es werden die vier Jahreszeiten mit ihren typischen Wettergegebenheiten aufgezählt und die für die jeweilige Jahreszeit in Deutschland bekannten Feste oder Unternehmungen genannt. Auf diese Weise kann einem Kind zwar ein gewisses Zeitgefühl vermittelt werden, aber die Beschreibung bleibt doch sehr vage.
Ein Kalender, der sich im Anhang findet, kann mit Geburtstagsdaten gefüllt werden. Doch dadurch, dass der Kalender in diesem Buch weder erwähnt noch erklärt wird, bleibt die Erklärung der Zeiteinteilung dem Vorleser überlassen. Das Buch kann dazu herangezogen werden, bietet aber maximal eine nette Untermalung der Jahreszeiten. Daher wird die Eltersempfehlung hier etwas herabgesetzt.
Altersempfehlung: 3-5 Jahre
Vorlesezeit: 5-6 Minuten
Daten zum Buch „Wie lange ist ein Jahr?“
Titel: Wie lange ist ein Jahr?
Autor: Ulrike Schultheis, Mathias Weber
Verlag: Thienemann
Jahr/Auflage: 2010
ISBN: 978-3522436472
Wie lange ist ein Jahr?
Titelwahl | Bewertung (1-10) | Begründung |
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Punkte gesamt | 9 | |
Titelwahl | 10 | |
Aufmachung | 10 | Hardcover quadratisch bunt, fröhlich und simpel gezeichnet |
Text/Sprache | 9 | Der Text ist einfach und knapp gehalten, die Sprache wirkt teilweise aber etwas distanziert. |
Inhalt | 8 | Sophia hatte eine schöne Geburtstagsfeier und fragt deshalb, wie lange es dauert, bis sie wieder Geburtstag hat. Die Mutter sagt, dass das noch ein Jahr dauert und da Sophia nicht weiß, wie lange ein Jahr ist, zählt die Mutter die einzelnen Jahreszeiten auf. Sie erinnert das Kind an die Feste, die übers Jahr hinweg gefeiert werden und die jahreszeittypischen Unternehmungen in Kindergarten und Familie. |
Pädagogische Themen | 9 | Lehrthema: Kalender und Jahreszeiten Zeitgefühl vermitteln |
Pädagogischer Wert | 8 | Ein Kalender wurde zwar der Geschichte angehängt, allerding kommentar- und funktionslos. Die Monate werden in der Geschichte nicht einmal erwähnt. |
Schlüssigkeit/Logik | 10 | |
Kreativität | 8 | Man hätte aus dem Thema mehr machen können. Die Aufzählung der Ereignisse ist etwas langweilig und der Kalender wird nicht ins Spiel gebracht. |