Und wieder beginnt ein Tag mit einem gellenden Schrei. Als Mutter hat man ja recht schnell raus, welche Art von Schrei was genau zu bedeuten hat. Ein spitzer, markerschütternder Schrei gefolgt von zweistimmigem Gezeter beispielsweise heißt: Ein Kind hat dem anderen etwas weggenommen.
Ein langer, lauter, nicht enden wollender, panischer Schrei gemischt mit Weinen erklärt sich meist durch eine von den Kindern unerwartet, aber meist selbstverschuldet herbeigeführte Notsituation, aus der sie sich nicht von allein wieder befreien können, wie ein eingeklemmter Finger in der Heizung oder ein Zeh unter einer offenen Tür. Oder ein Finger im Schlüsselloch. Da gibt es unzählige Möglichkeiten.
Soetwas tut nicht unbedingt direkt weh. Nur, wenn man panisch gegen einen Widerstand drückt oder zieht. Und da ein Kind, dass sich irgendetwas eingeklemmt hat, nicht stillsteht und wartet, bis man es befreit hat, tut also soetwas dann doch zwangsläufig weh.
Ein Schrei aber, wie er heute von Junior ertönt, lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Er hat sich wirklich ganz doll wehgetan. So doll, dass es nicht sofort wieder aufhört, wehzutun, und so doll, dass er nach mir ruft. So doll, dass sogar seine Schwester nach mir ruft. „Mama, mein Bruder hat sich geblutet! Er braucht ein Pflaster!“ und „Maaaamaaaaa! Aua! Pffflastaaaa!“ tönt es deshalb durch das Haus.
Das mit dem Blut war natürlich wieder einmal etwas übertrieben, geblutet hat er heute nicht. Das Schienbein war nur etwas rot, weil er irgendwie beim Toben gegen den Schrank geknallt war. Selbstverständlich bluten auch meine Kinder immer mal wieder. Zum Beispiel wenn sie sich die Knie aufschrammen, weil das Bobby Car die Kurve nicht ordentlich erwischt hat oder wenn der große Zeh etwas abbekommen hat, weil in dem Laubhaufen, in den sie so gerne barfuß hineinspringen, ein Steinchen lag.
Es gibt auch schonmal aufgebissene Lippen oder Zungen in diesem Haus. Und Nasenbluten hatten wir auch schon. Selbst ein Ohr hat es einmal erwischt, als Junior damit an einem Regal hängenblieb.
Aber meist ist der Ruf nach einem Pflaster eher eine aus medizinischer Sicht unnötige Angelegenheit. Umso notwendiger aber ist sie dann aus psychologischer Sicht. Denn das Pflaster steht stellvertretend für ein sichtbares Aua, das unbedingt geheilt werden muss. Von Mama oder Papa persönlich und gerne auch gepaart mit einer geballten Ladung Trost. Pusten, wenn man sich den Finger am heißen Essen oder am verbotenen Ofen verbrannt hat, streicheln und trösten, wenn man beim Laufradfahren umkippt – klarer Fall: Wenn etwas nicht klappt, man sich wehtut oder etwas peinlich ist, dann hilft vor allem eines: Liebe.
Und die lässt sich manchmal ganz unheimlich einfach und hilfreich ausdrücken. Wie? Was? Ganz einfach? Ganz einfach. Und das könnt Ihr, liebe Eltern, mit unserem aktuellen Buch der Woche zuhause tüchtig mit Euren Kindern üben. Denn hier kommt ein Buch, das so einfach wie charmant, so liebevoll wie kurz, so bunt wie klug ist. Ein Buch, das all unser wichtigstes alltägliches elterliches Schaffen in vier Worte zusammenfasst: Pusten, trösten, Pflaster drauf!
Kurzrezension
UI, was ist nur los bei den Tieren? Der Hund ist umgeknickt und nun tut seine Pfote weh. Dem Affen stand ein Baum im Weg und nun hat er eine furchtbar dicke Beule. Das Schaf hat sich am Dornenbusch gekratzt und der tolpatschige Elefant trat sich auf seinen eigenen Rüssel. Und dann noch der Bär – setzt der sich doch glatt auf einen spitzen Ast. Auauau!
Doch wir wissen, was zu tun ist: Das rote Pflaster kommt auf die Hundepfote, das grüne auf die Affenbeule, das gelbe Pflaster ist für das Schaf und der Elefant wird mit dem lila Pflaster verarztet. Den Bärenpopo ziert ein blaues. Natürlich wollen alle Tiere getröstet werden, und am Ende geht es ihnen wieder gut und sie können quietschfidel zusammen spielen.
Dieses Buch lädt zum interaktiven Vorlesen ein. Die Reime sind einfach und treffend und können schon nach wenigen Malen von den Kindern mitgesprochen werden. Die Zeichnungen sind allerliebst und Empathie lässt sich kaum besser üben, als beim Pusten auf die kaputte Hundepfote oder beim tröstenden Streicheln über Schäfchens Kopf. Und wenn mein Kind das passende Pflaster auf den plattgetretenen Elefantenrüssel gepappt hat, dann geht mir persönlich das Herz auf. Denn, ach, einjeder von uns kann es doch so gut nachvollziehen, wie man sich fühlt, wenn man sich wehgetan hat.
Sich wehtun, das passiert eben jedem einmal. Wie gut, dass meine Kinder genau wissen, was dann zu tun ist: Pusten, trösten, Pflaster drauf!
Altersempfehlung: 0-4 Jahre
Vorlesezeit: 2-3 Minuten
Daten zum Buch „Pusten, trösten, Pflaster drauf“
Titel: Pusten, trösten, Pflaster drauf
Autor: Henning Löhlein, Bernd Penners
Verlag: Ravensburger
Jahr/Auflage: 2013
ISBN: 978-3473433797
Pusten, trösten, Pflaster drauf
Titelwahl | Bewertung (1-10) | Begründung |
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Punkte gesamt | 9 | |
Titelwahl | 10 | |
Aufmachung | 10 | quadratisches handliches Pappbilderbuch mit niedlichen Zeichnungen und fünf selbsthaftenden Spielpflastern |
Text/Sprache | 10 | Einfache, niedliche Verse mit Paarreimen und einem wiederkehrenden "Refrain" lassen sich nach wenigen Malen des Vorlesens schon von den Kleinen mitsprechen. |
Inhalt | 10 | Fünf Tieren passiert es, dass sie sich verletzen: Beule, Schramme, Piekser, Quetschung und Verstauchung - alles nichts Lebensgefährliches, aber schmerzhaft. Und was die Tiere in diesem Moment ganz einfach brauchen, gibt der Buchtitel wieder: Pusten, trösten, Pflaster drauf |
Pädagogische Themen | 10 | Bedürfnis nach Trost |
Pädagogischer Wert | 10 | Es braucht nicht vieler Worte, um die Botschaft und den Nutzen dieses Buches aufzuzeigen: Wer sich wehtut, braucht Trost und Liebe. Und weil jedes Kind das sofort nachvollziehen kann, wird das gemeinsame Lesen, das Pusten, das Trösten und das Pflaster kleben zu einem einfach wunderbar empathischen Moment. |
Schlüssigkeit/Logik | 9 | Ungern ziehe ich einen Punkt ab, aber natürlich ist ein Pflaster auf eine Quetschung oder Verstauchung Humbug. |
Kreativität | 10 |