„Morgen müssen wir mal wieder dein Zimmer aufräumen“, sage ich zu meinem Kind während des abendlichen Zähneputzens. „Okay“, antwortet es erstaunlich kooperativ. Kein Wunder, läuft doch das „gemeinsame Aufräumen“ ohnehin meist darauf hinaus, dass ich gegen das kreative Chaos meiner Kinder ankämpfe und an einem Ende des Zimmers Bauklötze in eine Kiste werfe, während am anderen Ende mit Schwung die Kiste mit den Holzeisenbahnschienen entleert wird.
Am nächsten Tag ist es dann soweit: Ich habe mir fest vorgenommen, dieses Mal nicht allein das Kinderzimmer aufzuräumen. Die Große muss helfen. Schließlich muss sie lernen, dass die Spielsachen kaputt gehen, wenn man sie immer nur durch die Gegend pfeffert oder sie herumliegen lässt, sodass jemand darauf treten kann. Außerdem: Man bedenke allein die Verletzungsgefahr, die von herumliegendem Spielzeug ausgeht – und erst der Schmutz, der sich unter all dem Zeug ansammelt! Einige Stellen des Fußbodens kleben regelrecht. Nein, wirklich, ein bisschen Ordnung muss sein. Zumindest einmal die Woche für eine halbe Stunde, damit ich saugen und wischen kann, ohne hinterher Playmobilzubehör und Haarspangen aus dem Staubsauger fischen zu müssen.
Das erkläre ich meinen Kindern auch gerne regelmäßig: Ein bisschen Ordnung muss sein, dann findet man auch mal etwas wieder. Das Wiederfinden lang vermisster Spielsachen ist tatsächlich auch in Kinderaugen ein Pluspunkt. Leider führt die Wiedersehensfreude dazu, dass nun erst einmal ausgedehnt mit den wiedergefundenen Dingen gespielt werden muss. Vorbei ist es mit der Hilfe für Mutti. Bauklötze einsammeln kann man doch auch später noch.
Der allwöchentliche Kampf um einen begehbaren Kinderzimmerfußboden geht in die nächste Runde. Wenn ich das Kind dazu animieren kann, seine Puzzles nach und nach wieder zusammenzusetzen, hab ich schon viel erreicht. Freilich kann ich währenddessen weder putzen, noch weiter aufräumen, denn beim Puzzlen braucht mein Kind Gesellschaft. Nachdem wir sechs Puzzle unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades vollendet haben, fehlt in jedem nur noch ein Teil. Das ist gut. Im Schnitt fehlen sonst drei pro Puzzle, und finden sich erst Wochen später in Bettbezügen oder irgendwelchen Fugen und Ritzen wieder. Ernies Ohr finde ich schließlich noch im Mund des Juniors. Bleiben zwei. „Vielleicht finden wir die, wenn wir alles andere weggeräumt haben“, versuche ich, mein Kind noch zum Weitermachen zu motivieren, aber es ist der Meinung, es hätte mit dem Puzzlen schon einen ausreichenden Beitrag zum Aufräumen geleistet. So setzt sich mein Kind auf einen Stapel aufgeklappter Bücher und blättert in einem weiteren.
Seufzend gebe ich meinem Baby eine Flaschenmilchauszeit und räume dann die restlichen Spielsachen um mein lesendes Kind herum in Kusiner eins, zwei und drei. Ich schaffe es gerade noch, das Zimmer durchzusaugen, bevor die frisch gebaute Matratzenburg zusammenbricht und alle dort hineingestopften Spielzeugautos und Bälle quer durchs Zimmer rollen.
Na gut. Dann wisch ich eben nächste Woche.
Kurzrezension
In dem Kinderbuch „Lina, Wuschel und das Chaoszimmer“ geht es um das, wofür viele Eltern die Zimmer ihrer Kinder grundsätzlich halten: Zustände größtmöglichen Durcheinanders. Damit liegen wir Eltern auch gar nicht so falsch. Es liegt in der Natur der Sache, dass Kinder in ihren Zimmern spielen, und spielen kann man nicht aufgeräumt und kontrolliert. Spielen ist etwas grundsätzlich Freies. Und ein aufgeräumtes Zimmer eignet sich eben nur begrenzt zum Spielen.
Lina findet Aufräumen sowieso doof. Eine Erfindung der Erwachsenen ist es ihrer Meinung nach, und ihr würde jederzeit etwas Wichtigeres einfallen, als aufzuräumen. Doch eines Tages findet sie Wuschel nicht mehr wieder. Wuschel ist das Lieblingskuscheltier ihrer besten Freundin Pia. Lina und sie haben ihre Lieblingskuscheltiere ausgetauscht. Warum auch nicht? Im Fernsehen tauschen sie mittlerweile ganze Familien, da kann ruhig auch einmal Wuschel bei Lina übernachten und Zottel bei Pia. Aber offenbar war Wuschel dem Chaos in Linas Kinderzimmer nicht gewachsen, jedenfalls ist er plötzlich verschwunden.
Lina sucht überall, aber sie findet nur lauter andere Dinge, wie alte Gummibärchen und ein vermisstes Hörspiel. Wuschel bleibt verschwunden.
Als Lina eine grüne Kirmesbrille wiederfindet, erlebt sie eine Überraschung: Durch die Brille gesehen werden ihre Kuscheltiere und Spielzeuge plötzlich alle lebendig. Und sie sind gar nicht glücklich, denn sie stecken alle in der Patsche, sind irgendwo eingeklemmt oder liegen zwischen piekenden Legosteinen. Alle Spielsachen brauchen Hilfe, und Lina packt es an, und beginnt, ihr Zimmer aufzuräumen.
Voller Tatendrang sortiert sie alles in Kartons, hängt ihre Bilder auf und räumt die Spielsachen an ihre angestammten Plätze. Wuschel findet sie trotzdem nicht wieder, obwohl das Zimmer am Ende so ordentlich aussieht, dass Mama ganz überrascht ist. Und sie hat auch eine Überraschung für Lina: Wuschel war gar nicht im Chaoszimmer verloren gegangen. Mama hatte ihn sich ausgeborgt, weil sie ihm einen Pyjama nähen wollte. Und sie hat noch eine gute Nachricht: Heute Nacht darf nicht nur Wuschel bei Nina übernachten, sondern auch Pia. Und weil das Zimmer so schön aufgeräumt ist, ist nun auch Platz für Pias Matratze. Jetzt muss Mama nur noch ihren Autoschlüssel wiederfinden. Denn offenbar sind nicht nur Kinderzimmer manchmal Chaoszimmer.
Eigentlich wird das Aufräumen eines Kinderzimmers heutzutage längst nicht mehr so überbewertet, wie früher. „Ordnung muss sein“, ja, einverstanden. Aber glücklicherweise zeigen mittlerweile viele Eltern auch Verständnis für das kreative Chaos, das beim Spielen entsteht.
Dennoch ist ein Buch zum Thema Ordnung immer nützlich, denn ob man will oder nicht: Hin und wieder ist es eben aus hygienischen Gründen doch notwendig, dem Schmutz zu Leibe zu rücken, der sich unter dem Spielzeugchaos ansammelt. Außerdem kann eine Neuordnung der eigenen vier Wände für frischen Wind und neue Einrichtungsideen sorgen. Es kann also nicht schaden, „Lina, Wuschel und das Chaoszimmer“ heranzuziehen, wenn man mit dem eigenen Kind über den Zustand seines Reiches sprechen oder – wie in unserem Fall – einfach nur gemeinsam mit den Kindern über das Chaos zuhause lachen möchte.
„Lina, Wuschel und das Chaoszimmer“ ist sowohl für geübte selbst lesende Kinder, als auch zum Vorlesen sehr gut geeignet. Die Geschichte ist lustig, phantasievoll und auch ein wenig lehrreich für kleine und große Chaosarchitekten.
Altersempfehlung: 3-7 Jahre
Vorlesezeit: 10 Minuten
Daten zum Buch „Lina, Wuschel und das Chaoszimmer“
Titel: Lina, Wuschel und das Chaoszimmer
Autor: Ulrike Fischer, Manfred Tophoven
Verlag: Annette Betz
Jahr/Auflage: 2008
ISBN: 978-3219113648
Lina, Wuschel und das Chaoszimmer
Titelwahl | Bewertung (1-10) | Begründung |
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Punkte gesamt | 10 | |
Titelwahl | 10 | |
Aufmachung | 10 | Hardcover sympathische Figuren doppelseitige Bilder |
Text/Sprache | 9 | Die Sprache ist authentisch. Der Satzbau wird zwar etwas vernachlässigt, aber die Geschichte lässt sich gut vorlesen. Die Wortschöpfung "Heulender Holunderpopps" ist nicht so gängig, wie "Heiliger Bimbam", und muss mehrmals gelesen werden, bis man als Vorleser und Kind etwas damit anfangen kann. |
Inhalt | 9 | Lina findet Aufräumen doof und sieht darin keinen Sinn. Doch als sie Wuschel, das Kuscheltier ihrer besten Freundin, nicht mehr wiederfindet, gerät sie in Panik. Alles Durchwühlen des Spielzeugchaos' hilft nichts, Wuschel bleibt verschwunden. Auf der Suche nach Wuschel findet Lina eine Zauberbrille, durch die nicht nur alles grün wirkt, sondern die auch ihr Spielzeug zum Leben erweckt. Lina erkennt, in welchen Schwierigkeiten ihre Sachen stecken, und beginnt von ganz allein, aufzuräumen. Das Spielzeug packt natürlich tatkräftig mit an. Doch die Aufräumarbeit scheint sich nicht zu lohnen, Wuschel bleibt verschwunden. Bis Mama kommt. Die hat zwei gute Nachrichten: Zum einen bekommt Lina Übernachtungsbesuch von ihrer besten Freundin - und zum anderen hat Mama für die Lieblingskuscheltiere der beiden Kinder Schlafanzüge genäht und deshalb Wuschel bei sich gehabt, zum Maß nehmen. Nun ist nur noch eine Frage offen: Wo sind Mamas Schlüssel? Lina leiht ihr für die Suche gerne ihre Zauberbrille. Und vielleicht muss auch die Mama erst aufräumen, bevor der Schlüssel wieder auftaucht. |
Pädagogische Themen | 10 | Ordnung halten Verantwortung übernehmen für den eigenen Besitz und für ausgeborgte Dinge Freundschaft Ideen und Veränderung Phantasie |
Pädagogischer Wert | 9 | Dass Lina durch das Aufräumen nicht damit belohnt wird, Wuschel wiederzufinden - denn der befand sich ja gar nicht mehr im Chaoszimmer - schmälert den Lehrwert ein wenig. Andererseits hat das Aufräumen den Vorteil gebracht, dass nun Platz für Linas Übernachtungsgast geschaffen wurde. Ihr eigenes Spielzeug, das teilweise sehr unachtsam behandelt worden war, scheint sich aufgeräumt viel wohler zu fühlen. Lina entwickelt während des Aufräumens sogar eine kreative Idee für die Aufbewahrung ihrer selbstgemalten Bilder. Und wenn Lina sich das nächste Mal ein Spielzeug ausborgt, wird sie sicher besser darauf aufpassen und es nicht aus den Augen lassen. |
Schlüssigkeit/Logik | - | |
Kreativität | 10 | Die Sache mit der grünen Brille, welche die Dinge in Bewegung bringt, ist sehr originell. Die Phantasie von Lina in Bezug auf das Eigenleben ihrer Kuscheltiere ist allerliebst. |