Komm, ich zeig dir meine Eltern

Komm, ich zeig dir meine Eltern, Michael Link

Komm, ich zeig dir meine Eltern, Michael Link

Michael Link war einige Jahre der Manager und Lebensgefährte des volkstümlichen und Schlagersängers Patrick Lindner. Dadurch geriet nicht nur deren Beziehung, sondern auch die Adoption eines russischen Waisenkindes durch Herrn Lindner in die Öffentlichkeit. In dem Buch „Komm, ich zeig dir meine Eltern“ geht es um genau dieses Kind und sein Leben bei den beiden Männern, bei Papa und Micha. Patrick Lindner schrieb das Vorwort zu Links Buch.

Kurzrezension

Daniel ist ein ganz normaler Junge, mit einem ganz normalen Zuhause und ganz normalen Hobbys. Als sein Freund Domenic sich darüber wundert, dass Daniel keine Mama hat, sondern einen Papa und einen Micha, da erzählt Daniel ihm von sich. Er erzählt, dass seine Mama krank war und ihn deshalb in Russland, wo er geboren wurde, in ein Waisenhaus gebracht hat. Dort wurde er von seinem jetzigen Papa und dessen Freund gesehen und liebgewonnen. Da sein Papa keine Frau, sondern eben Micha liebte, hatten die beiden kein eigenes Kind. Deshalb hat der Papa sich beim Jugendamt darum bemüht, Daniel zu sich nach Deutschland zu holen als sein Kind. Hier hat Daniel nun ein Zuhause und eine große Familie, die aus einer Uroma, zwei Omas und einem Opa besteht, nicht zu vergessen die drei Hunde.

Es ist nicht ganz klar, für wen dieses Buch eigentlich gedacht ist. Für Kinder, die in derselben Situation sind, wie Daniel? Für Kinder wie Domenic, die Daniel kennen und sich wundern, weshalb er nicht bei seiner Mutter in Russland lebt, sondern bei zwei deutschen Männern? Für die Eltern von Daniels Freunden? Für andere Paare, die ein Kind adoptieren wollen? Oder für die breite Öffentlichkeit, damit das Leben dieser durch den Beruf des Vaters in der Öffentlichkeit stehenden Familie besser verstanden wird?

Eines ist klar: Dies ist ein sehr persönliches Buch, das sicher auch aus persönlichen Gründen geschrieben und bewusst so persönlich gehalten wurde. Angesichts der Tatsache, dass nur wenige Jahr nach Veröffentlichung des Buches die Beziehung von Link und Lindner zerbrach, wäre es rückblickend sicher hilfreicher gewesen, die Geschichte allgemeiner verfasst zu haben. Der Klappentext, in dem es heißt, das homosexuelle Paar habe den kleinen Jungen adoptiert, ist zudem nicht ganz korrekt: Adoptiert wurde Daniel nur von Patrick Lindner.

So löblich der Versuch ist, die Normalität von Adoptivkindern einerseits und die Normalität von homosexuellen Paaren andererseits zu betonen, so missraten ist leider auch der Versuch, daraus ein Kinderbuch zu machen. Dabei ist der Bedarf an Büchern zu diesen Themen durchaus groß. Immer mehr homosexuelle Paare trauen sich, gemeinsam Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Dies geschieht nicht nur durch Adoption. Die Wege hierzu sind so vielfältig, wie die Menschen selbst, und die sich daraus ergebenden rechtlichen Probleme ebenso. Was passiert, wenn sich ein Paar trennt, bei dem nur einer der Partner das Sorgerecht hat? Welche Rechte hat das Kind, den Elternteil, der weder durch Adoption noch durch Leiblichkeit, sondern allein durch menschliche Nähe und Liebe mit ihm verbunden ist, wiederzusehen? Und da geht es ja nicht nur primär um das zweite Elternteil, das plötzlich entfällt, sondern oft auch um die Familie des scheidenden Elternteils, die keinerlei Blutsverwandtschaft oder rechtliche Beziehung zu dem Adoptivkind hat. Die Rechte nicht-leiblicher Eltern sind in diesem Land einigermaßen geregelt. Aber die Rechte der adoptierten Kinder auf beide Elternteile samt deren Familie bleiben abhängig vom guten Willen der Erwachsenen.
Abgesehen von möglichen rechtlichen Fragen gibt es auch viele emotionale, die in diesem Buch unter den Tisch fallen: Wie geht ein Kind damit um, wenn es in Kindergarten oder Schule auf Unverständnis oder gar Spott trifft? In Daniels Fall stellt sein Freund Domenic ganz wertfrei und interessiert eine einzige Frage. Er hakt nicht nach, er findet nichts ungewöhnlich, er will nichts genauer wissen – ja, er existiert offenbar nur in der Geschichte, um den Anstoß, die Einleitung in die Erzählung zu liefern. Und abgesehen von dem für Kinder eher komplizierten Absatz über Jugendämter ist diese Erzählung nichts als eine oberflächliche Beschreibung des Alltags eines Kindes, das zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht einmal alt genug war, um über selbige mit zu entscheiden.
Das eigentliche Manko dieses Buches ist genau dieser Mangel an erzählerischer Qualität. Es fehlt an Handlung, an Spannung, an Ereignissen, welche Kinder dazu bewegen, beim Vorlesen einer Geschichte Interesse zu entwickeln. Ich habe es wirklich versucht, konnte aber auch bei wiederholten Vorleseversuchen kein Interesse bei meinem Kind wecken für Daniels Geschichte. Dabei ist Daniels Geschichte durchaus wert, erzählt zu werden. Und die angesprochenen Themen sind durchaus wert und wichtig, mit Kindern wie mit Erwachsenen besprochen zu werden. Doch dafür bedarf es eben einer anderen Art der Umsetzung. Schade. Ein Thema, aus dem man gerade als Betroffener viel mehr hätte machen können und müssen. Ein Promibonus kann bei den Verkaufszahlen helfen, nicht aber dabei, dass ein Buch auch gelesen wird.

Altersempfehlung: 5-8 Jahre
Vorlesezeit: 5-8 Minuten

Daten zum Buch „Komm, ich zeig dir meine Eltern“

Titel: Komm, ich zeig dir meine Eltern

Autor: Michael Link, Sabine Schöneich (Illustrationen)
Verlag: Edition Riesenrad
Jahr/Auflage: 2002/1.

ISBN: 9783935746229

Komm, ich zeig dir meine Eltern

TitelwahlBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt7
Titelwahl10
Aufmachung9Hardcover
Querformat
doppelseitige Zeichnungen
authentisch, aber etwas langweilig, da auf den Bildern absolut nichts passiert
Erstleserfreundlich dank großer Druckbuchstaben
Text/Sprache10Der Text eignet sich eigentlich ganz gut zum Vorlesen und ist von Satzbau und Wortwahl her auch gut für Erstleser noch geeignet. Allein es fehlt an Handlung.
Inhalt6Das Buch erzählt die Geschichte von Patrick Lindner und Michael Link und dem adoptierten Sohn Lindners, Daniel. Die Geschichte wird mit Daniels Worten erzählt, beziehungsweise Daniel erzählt einem Freund, wo er geboren wurde, wie es zu der Adoption kam und wie er bei seinem neuen Vater und dessen Lebensgefährten lebt. Leider beschränkt sich dieses Buch auf das Beschreiben von etwas, das war und ist. Es bleibt somit recht ereignislos und ohne jeden Hauch eines Spannungsbogens.
Pädagogische Themen10Toleranz
Lösung vom traditionellen Familienmodell
Alltag eines Adoptivkindes
Pädagogischer Wert6Das Buch möchte zu Toleranz aufrufen und das Familienbild zweier Männer mit einem Adoptivkind vorstellen. Das gelingt zwar, doch jegliche Auseinandersetzung mit den Themen Adoption und gleichgeschlechtliche Partnerschaft sowie den eben auch damit einhergehenden möglichen rechtlichen Schwierigkeiten und emotionalen wie gesellschaftlichen Komplikationen bleibt aus.
Schlüssigkeit/Logik7Die Geschichte und die Umstände der Adoption werden zwar logisch und schlüssig erzählt, aber der Grund, weshalb Daniel loslegt und seine Geschichte erzählt, ist nicht ganz nachvollziehbar. Sein Freund Domenic sitzt im Auto und wartet auf seine Mutter, und Daniel geht einfach zu dem Auto und sagt aus heiterem Himmel: "Komm, ich zeig dir meine Eltern!" Damit hätten wir den Titel des Buches erklärt, schön. Aber was Daniel antreibt, von sich zu erzählen, und warum Domenic das nicht längst schon weiß, dass Daniel bei zwei Männern lebt, ist nicht schlüssig - auch nicht, warum Domenic überhaupt gar keine Nachfrage stellt.
Kreativität7Hier wird offenbar eine wahre Geschichte eins zu eins nacherzählt, aber nicht versucht, sie in einen spannenden oder ereignisreichen Kontext zu setzen. Als Sachbuch oder Dokumentation wäre es daher sicher besser umgesetzt gewesen.