Pettersson und Findus – Findus zieht um

Findus zieht um_Sven Nordqvist

Pettersson und Findus – Findus zieht um, Sven Nordqvist

Heute hatten wir mal wieder Streit. Und Schuld daran sind die Briten. Die haben nämlich beschlossen, die EU zu verlassen. Weil es ihnen bei uns nicht mehr so gut gefällt. Sie können hier nämlich nicht machen, was sie wollen. Ständig wollen andere darüber mitentscheiden, was man tun und lassen darf, und immer sollen die Briten auf alle anderen Rücksicht nehmen und solidarisch sein. Dabei würden sie viel lieber einfach nur das machen, was sie selbst am liebsten machen. Egal, was die anderen Europäer davon halten.

Und deshalb haben die Briten beschlossen, uns zu verlassen, auszuziehen und es sich in ihrem eigenen Heim gemütlich zu machen. Was unsere Kanzlerin dazu zu sagen hat, wollte ich mir live um 12:30 Uhr im Fernsehen anhören und ansehen. Aber Fernsehen, und dann auch noch tagsüber, das ist immer eine grenzwertige Geschichte, wenn man Kinder hat. Denn wenn der Apparat angeht, dann wird die Couch magnetisch und zieht in Sekundenschnelle schwupp und wupp zwei kleine Menschen an, die es sich bequem machen, nach etwas zu knabbern oder zu trinken verlangen, einem die Füße in die Seite drücken und auf die bewegten Bilder starren, als seien sie eine himmlische Verheißung.

 

Freilich, das gemütliche Idyll wird spätestens nach einer Minute zum brodelnden Feuerherd. Denn sobald mein großes Kind realisiert, dass um halb eins mittags weder das Sandmännchen noch Bibi Blocksberg die Mama zum Einschalten des Fernsehers bewegt hat, sondern ein schnödes Politikprogramm, ein Nachrichtensender, Erwachsenenfernsehen – ohje, dann schaltet mein Kind automatisch auf Protest.

 

„Ich will aber Kinderkanal!“

„Nein, die Mama schaut jetzt was.“

„Neiiin, ich will aber Kinderkanal! Sonst kann ich nie wieder Kinderkanal gucken.“

„Du kannst heute abend fernsehen, jetzt möchte ich das eben sehen.“

„Du bist gemein! Du bist nicht mehr meine Freundin!“

„Ja, dann ist das leider so, aber jetzt sei bitte leise, ich möchte das hören!“

„Neiiin. Das ist langweilig!“

„Du brauchst es ja nicht gucken, geh in dein Zimmer spielen, ich ruf dich, wenn das Essen fertig ist!“

„Nein, ich will jetzt aber Kinderkanal!“

„Jetzt sei bitte mal leise, ich möchte das eben kurz hören und dann gibt es Mittagessen.“

„Neinneinnein!“

Und dann passiert es. Ja, ich bin fehlbar, ja, ich bin auch nur ein Mensch. Ich tue es, ich sage es, ich nutze die Formel – wenn nicht, dann. „Wenn du jetzt nicht sofort leise bist und ich das nicht hören kann, dann darfst du heute abend auch nicht fernsehen.“

So, das sollte eigentlich sitzen. Das sollte mein Kind zum Nachdenken bringen, oder wenigstens zum Schweigen, bis die Kanzlerin ihre Aussagen machen konnte. Ein bisschen Rücksicht auf Mamas Informationsbedürfnis wird ja wohl möglich sein. Aber von wegen: Nur, weil ich mit Konsequenzen drohe, wendet sich das Blatt noch lange nicht zum Guten. Und nur weil ich Rücksicht erwarte, bekomme ich sie noch lange nicht.

Es endet damit, dass ich die Lautstärke des Fernsehers bis zum Anschlag hochdrehe und mich direkt vor die Glotze setze, mein lamentierendes Kind hinter mir komplett ausblende, nur um festzustellen, dass die Welt nicht untergehen wird, weil die Briten ausziehen. Und wenn die Welt doch untergeht, können wir es ohnehin nicht so recht verhindern.

„Wenn ihr europäischen Freunde uns Briten nicht entgegenkommt, dann gehen wir eben“, war der „Wenn-dann“-Satz dieser Tage. Die Briten haben die Konsequenzen gezogen. Und nun müssen wir alle diese auch tragen.

 

Wenn Konsequenzen aber eine Freundschaft beeinträchtigen, lohnt es sich, darüber nachzudenken, ob es nicht ein Kompromiss auch tun würde. Mein Kind und ich werden wohl einen Kompromiss finden, der „Nur das Sandmännchen“ heißt. Ob die Briten sich noch zu einem Kompromiss durchringen werden, werden die nächsten Monate zeigen. Wie das mit den Kompromissen geht, jedenfalls, das lehren uns diese Woche Pettersson und Findus.

Kurzrezension

Findus hat ein neues Bett bekommen. Ein richtiges kleines Bett mit Federung, in dem man ganz toll hüpfen kann. Und das tut Findus dann auch. Jeden Tag. Um vier Uhr morgens. Pettersson leidet sichtlich darunter und erinnert Findus an sein Versprechen, genau dies nicht zu tun. Der Kater erklärt seinem Alten, dass er nichts dafür kann und auch nichts dagegen tun, denn ein Kater müsse nunmal hüpfen, wenn er aufwacht, sonst roste er ein.

Pettersson tut nun etwas, was er bald darauf bereut: Er sagt zu Findus, dass, wenn der Kater nicht aufhört zu hüpfen, das Bett woanders aufgestellt werden müsse. Entweder aufhören zu hopsen, oder umziehen. Und wer hätte das gedacht: Der Kater wählt die Umzugsvariante.

 

Nun hat Pettersson immer gute Ideen und viel Material auf Lager, sodass er für Findus aus dem alten Plumpsklo ein wunderschönes eigenes Zuhause zimmert. Mit ein paar Tapetenresten und etwas Mobiliar wird es so im Garten richtig wohnlich für den Kater. Dass Pettersson nun morgens um vier seine Ruhe hat, ist eine Folge. Die andere, weniger angenehme, ist, dass er nun im großen Haus wieder genauso einsam ist, wie vor der Finduszeit.

 

Findus genießt den ersten Tag in seinen eigenen vier Wänden und hopst so viel er kann. Er lädt Pettersson als ersten Gast zu sich zum Pfannkuchenessen ein und beide stimmen überein, dass ihr Zusammenleben eigentlich wie vorher ist, nur mit dem Unterschied, dass Pettersson morgens länger schlafen kann.

Doch ganz so ist es eben doch nicht. Findus‘ Umzug bedeutet, dass er die Nächte alleine in seinem kleinen Haus verbringen muss. Und schon bald merkt Findus, dass er genau das gar nicht möchte. Und so erfindet er Füchse, und gegen Petterssons Fuchsabwehridee erfindet Findus wiederum Stolperdraht zernagende Mäuse, bis er schließlich fast zugibt, wieder bei Pettersson im Haus wohnen und schlafen zu wollen. Die erste Probeübernachtung nach dem Auszug endet damit, dass Findus wieder um vier Uhr morgens hopst und Pettersson schimpft. Doch am zweiten Tag schafft es Findus, sich aus Rücksicht seinem Freund gegenüber um vier Uhr morgens einfach noch einmal umzudrehen und weiterzuschlafen.

 

Pettersson, der seinerseits nicht so recht zugegeben hat, dass er den Kater vermisst hat, schlägt nun ganz beiläufig vor, das Bett des Katers doch wieder im Schlafzimmer aufzustellen – unter der Bedingung, dass Findus später hopst. Darauf können sich die Freunde zufrieden einigen.

 

In dieser Geschichte lehren uns die beiden Freunde, dass es vieler Kompromisse und vor allem großer Rücksichtnahme bedarf, wenn man sein Leben als Freunde miteinander teilen möchte. Da die Vorteile der Gemeinschaft aber überwiegen, fällt es am Ende nicht einmal dem hopsbedürftigen Kater Findus schwer, sich ein bisschen für seinen Freund zurückzunehmen und ist damit wirklich ein Vorbild für alle Freundschaften und Gemeinschaften – wie zum Beispiel die europäische.

Altersempfehlung: 4-8 Jahre
Vorlesezeit: 10 Minuten

Daten zum Buch „Pettersson und Findus – Findus zieht um“

Titel: Pettersson und Findus – Findus zieht um
Autor: Sven Nordqvist
Verlag: Oetinger
Jahr/Auflage: 2013

ISBN: 978-3789179099

Pettersson und Findus - Findus zieht um

TitelwahlBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt10
Titelwahl10
Aufmachung10Hardcover
DinA4
Liebevolle, witzige und detailreiche Zeichnungen, ganz- oder doppelseitig und auch szenisch. Besonders gelungen sind die Hüpf- und Saltoszenen von Findus - und den Hühnern, Petterssons verzweifelt um Schlaf bittendes Gesicht und Pettersson mit dem Lochdeckel vom Plumpsklo.
Text/Sprache9Die Schrift ist teilweise etwas sehr klein gedruckt, was für Leseanfänger nicht so einfach ist. Die Sprache ist, wie man es von Pettersson und Findus gewöhnt ist, voller Liebe und Witz.
Inhalt10Pettersson hat den Kater Findus so gern, dass er ihm ein eigenes Bett geschenkt hat mit richtiger Federung. Doch genau das wird nun zum Streitthema der beiden. Denn Kater Findus wacht jeden Morgen um vier Uhr auf und hat das unbändige Bedürfnis, auf dem Bett zu hüpfen. Und das macht ein sehr unangenehmes und lautes Quietschgeräusch, weshalb Pettersson dann nicht mehr weiterschlafen kann. Da die beiden keinen Kompromiss finden, muss Findus ausziehen. Pettersson organisiert für Findus ein eigenes Häuschen, in dem er schlafen und auf seinem Bett hüpfen kann. Dem Kater gefällt es in dem Haus aber so gut, dass der alte Mann sich im Haupthaus wieder so allein fühlt, wie zu der Zeit, als er noch keinen Findus bei sich hatte. Aber auch Findus merkt nach einer Weile, dass es nicht so schön ist, alleine in dem Häuschen zu schlafen. Er erfindet ein paar Gründe und Füchse, um wieder bei Pettersson schlafen zu dürfen. Der stellt die Bedingung, dass Findus erst später mit der Hüpferei beginnt. Das fällt dem Kater unheimlich schwer. Doch am Ende siegen Freundschaft und guter Wille und der Kompromiss wird doch noch geschlossen.
Pädagogische Themen10Rücksicht nehmen
Freundschaft
Einsamkeit
Kompromissbereitschaft
Pädagogischer Wert10Pettersson und sein Kater Findus lehren uns, dass es nicht so wichtig ist, seine Gewohnheiten beizubehalten und seinen Willen durchzusetzen. Viel wichtiger ist es, jemanden zu haben, auf den man Rücksicht nimmt, für den man etwas tun und mit dem man seine Zeit teilen kann: Einen Freund. Denn keiner der beiden ist gern allein.
Schlüssigkeit/Logik10Die Gefühle von Pettersson und Findus sind ebenso nachvollziehbar wie das anfängliche Unvermögen beider, sich diese Gefühle einzugestehen und über ihren Schatten zu springen.
Kreativität10