Manchmal, wenn meine Kinder sich langweilen und ich ihnen grad nichts vorlesen kann, dann schlag ich vor, dass die Große doch ihrem kleinen Bruder etwas vorlesen könnte. Dann schnappen sie sich ein Buch und verschwinden auf der Couch oder im Kinderzimmer und man hört durch die nicht vorhandenen Türen, wie die Große gewissenhaft Die Eule mit der Beule, den Superwurm, Superkauz oder ein anderes Bilderbuch rezitiert.
Selbstverständlich liest die Große nicht wirklich vor. Sie kann nämlich noch gar nicht lesen. Aber sie möchte es unbedingt können. Und weil sie erst im Sommer in die Schule kommt, erzählt sie ihrem Bruder eben einfach die Bilderbuchgeschichte auswendig und tut so, als ob sie sie vorliest. Das passiert teilweise so haargenau im Wortlaut, dass man als Außenstehender meint, ein Wunderkindergartenkind vor sich zu sehen.
Zur Schule gehen und Lesen lernen erscheint meinem Kind zum Glück tatsächlich sehr erstrebenswert. Neidvoll hat sie den großen Mädchen nachgesehen, die vor ein paar Wochen den Kindergarten hinter sich ließen und nun echte Schulkinder sind. Die Schule, so denkt mein Kind, muss etwas ganz Besonderes sein.
Mehr und mehr Diskussionen um das richtige Einschulungsalter und Kann- oder Musskinder, vorgezogene oder zurückgestellte Kinder und den Föderalismus im Schulwesen überhaupt zeigen mir, dass die Erwachsenen das Thema Schule weitaus kritischer betrachten, als mein begeistertes Kind. Überforderung und Unterbesetzung des Lehrkörpers, marode Gebäude und mobbende Mitschüler werden als Gründe ebenso angeführt, wie Leistungsdruck und Belohnungssysteme.
Neulich hat mein Kind die großen Schulmädchen wiedergetroffen.
„Und?“ hab‘ ich gefragt. „Was haben die Mädels gesagt, wie finden sie die Schule?“
„Toll“, kommt es wie aus der Pistole geschossen zurück. Nach einem kurzen Augenblick fügt sie jedoch hinzu:
„Aber auch ein bisschen blöd.“
„Was haben sie den gesagt, was an der Schule blöd ist?“ habe ich gefragt.
„Da sind Jungs, die sie immer ärgern.“
Ich musste schmunzeln. Dass die Jungs die Mädchen ärgern, ist auch im Kindergarten schon an der Tagesordnung. Das war auch schon vor dreißig Jahren eher die Regel, als die Ausnahme. Und wenn ich ehrlich bin, würde wahrscheinlich auch manch eine erwachsene Frau bestätigen, dass sie von den erwachsenen Männern – allen voran ihren Partnern – auch nicht selten geärgert werden.
Ich erspare meinem Kind aber diese geschlechtsspezifischen Erfahrungswerte. Noch sind nämlich einige Jungs unter ihren besten Freunden. Dass es in der Schule auch Kinder geben kann, mit denen sie sich nicht verstehen wird, wird sich nicht vermeiden lassen. Solange das aber vorerst der Hauptkritikpunkt der großen Kinder an der Schule ist, kann sie sich ruhig weiter auf die Schulzeit freuen. Soweit ich mich erinnere, kann man dort nämlich auch eine ganze Menge Spaß haben.
Ein „Schulbuch“, das Spaß macht, ist übrigens auch unser aktuelles Buch der Woche.
Kurzrezension
Pünktlich zu Halloween beschäftigt sich die erste Geschichte in diesem Band aus der Reihe „Eine Klasse für sich“, englischer Originaltitel „Wigglesbottom Primary“, mit einem Gespenst. Das scheint auf dem Jungenklo in der Schule sein Unwesen zu treiben und spritzt alle Kinder nass. Sogar vor dem Konrektor Hampe macht es nicht halt. Schließlich aber findet dieser heraus, was es mit dem gespenstischen Treiben im Jungenklo tatsächlich auf sich hat.
Der zweite Fall ist etwas komplizierter: Zur Talentshow bringt Milo einen Zauberschuh mit. So recht glauben wollen seine Mitschüler nicht, dass der stinkende Schuh wirklich magische Kräfte hat. Doch dann hält Milo nacheinander den Schuh über seine Mitschüler und verrät etwas, was eigentlich keiner wissen kann. Der Schuh hat es ihm verraten, sagt er, und so muss es wohl sein. Doch schließlich entdecken die Kinder, dass der Zauberschuh doch nur mit faulen Tricks gearbeitet hat.
In der dritten Geschichte ist Mitbringstunde. Ben bringt eine Schachtel mit einem uralten Fluch darin mit. Sowas gibt es nicht, behauptet die Lehrerin Frau Miller. Doch als einer nach dem anderen vom Pech verfolgt wird, glaubt am Ende doch die ganze Klasse daran, dass der Fluch aus der Schachtel herausgekommen ist. Bis schließlich Emma gesteht, dass nicht der Fluch, sondern ihr Mitbringsel alle in Aufregung und Bewegung versetzt hat.
Locker, leicht und ausgesprochen lustig kommen die Kinder aus dieser ganz besonderen Schulklasse daher. Neugierig, erfinderisch und kameradschaftlich durchleben sie seltsam-skurrile Geschichten, die kleine Leser und große Vorleser zum Schmunzeln bringen. So macht Schule einfach Spaß.
Die Sprache ist für Leseanfänger zu bewältigen, die hier und da groß und fett gedruckten Worte lockern den Textfluss auf und wirken „dramaturgisch“ unterstützend. Die Geschichten werden in Ich-Schreibweise rasant und authentisch erzählt, eignen sich von Länge und Bebilderung her auch sehr gut zum Vorlesen für Vorschüler, und machen Lust auf weitere Abenteuer aus dieser ungewöhnlichen Primary School.
Von mir und meinem großen Vorschulkind geht hier eine ganz klare Leseempfehlung aus!
Altersempfehlung: 5-7 Jahre
(Vor-)Lesezeit: 3 Geschichten à 8-9 Minuten
Daten zum Buch „Eine Klasse für sich – Das Klogespenst“
Titel: Eine Klasse für sich – Das Klogespenst
Autor: Becka Moor, Pamela Butchart (aus dem Englischen von Anne Braun)
Verlag: orell füssli
Jahr/Auflage: 2015
ISBN: 978-3280035412
Eine Klasse für sich - Das Klogespenst
Titelwahl | Bewertung (1-10) | Begründung |
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Punkte gesamt | 10 | |
Titelwahl | 10 | |
Aufmachung | 10 | gebunden, stabile Seiten Das Grün des Covers zieht sich durch das gesamte Buch. sympathisch gezeichnete Figuren und lustige Szenenbilder |
Text/Sprache | 10 | Die englische Reihe wurde ins Deutsche übersetzt. Charme und Witz werden hervorragend transportiert.Die Ich-Erzählweise zieht die kleine (Vor-)Schüler direkt ins Geschehen. |
Inhalt | 10 | In dieser Grundschule geschehen seltsame Dinge: Ein Klogespenst treibt sein Unwesen auf der Jungentoilette, ein Zauberschuh mit faulen Tricks stinkt gewaltig und der uralte Fluch macht bringt die ganze Klasse inklusive Fau Miller in Bewegung. Ein rasanter und unerwarteter Lesespaß! |
Pädagogische Themen | 10 | Schule Kameradschaft Hilfsbereitschaft Mitleid |
Pädagogischer Wert | 9 | Die Klasse für sich hält zusammen und ist nicht nachtragend, weder, als Milo mit seinem Schuh faule Tricks vorführt, noch als Emma eine Ameisenfarm auf ihre Mitschüler loslässt. Stattdessen helfen alle, die Probleme zu lösen. |
Schlüssigkeit/Logik | 8 | Viel Phantasie kann natürlich nicht hundertprozentige Logik mit sich führen. Aber die Art und Weise, wie die Schulklasse sich in die Aufregung hineinsteigert, ist absolut nachvollziehbar. |
Kreativität | 10 |