Die Kuh im Pool

Die Kuh im Pool, Sandra Niermeyer

Seit kurzem hat unser Hof zwei neue MItbewohner. Da während der Corona-Zeit große Partys nicht möglich waren, haben wir uns zum Hochzeitstag zwei Hochlandrinder geschenkt.

„Man kann doch nicht einfach so eine Kuh kaufen“, mögen manche sagen. Doch, man kann. Freilich sollte man sich vorher schon ein paar Gedanken darüber machen. Wo soll die Kuh leben? Wer wird als Halter eingetragen? Was für eine Rasse soll es sein? Soll die Kuh möglichst viele Kälber bekommen und Milch geben oder auf gar keinen Fall eins von beidem? Und wer soll mit der Kuh zusammenleben?

Als wir unsere erste Kuh kauften, hatten wir uns all diese Fragen bereits beantwortet. Die Weide war organisiert, die Rasse ausgesucht und als Gesellschaft für unsere junge Färse waren zunächst ein paar Kühe des Weidenbesitzers eingeplant. Eigentlich konnte nichts mehr schiefgehen.

Doch das Landleben ist leider für Familien mit Kindern nicht immer ungefährlich. Ein stabil wirkender Rangerzaun erwies sich als instabil, fiel mit Junior zu Boden und rammte ein tiefes Loch in sein Schienbein. Statt mit Kuh nach Hause fuhren wir nun mit blutendem Kind ins Krankenhaus. Fünf Stiche später standen wir wieder vor der Koppel und wählten unsere Kuh: Eine schottische Hochlandkuh, nicht ganz ein Jahr alt, klein, zottelig, mit winzigem Gehörn und vom Stallmatsch dezent verschmutzt, Das störte uns nicht. Es würde sich auf der Weide mit ein wenig norddeutschem Schmuddelwetter ohnehin schnell angleichen. Außerdem hieß die Kuh Ladybug. Unsere Tochter war begeistert.

Die Kuh im Hänger machten wir uns auf den Heimweg. Doch der Krankenhausaufenthalt hatte Zeit gekostet, Weil wir sie nicht im Dunkeln auf die Wiese schicken wollten, ließen wir die Kuh über Nacht im Hänger. Mit den ersten Sonnenstrahlen waren auch die ersten Nachbarn da, um unser neuestes Tier zu bestaunen. Während es vorne reichlich Gras und Streicheleinheiten bekam, erleichterte das Tier sich hinten auf eine Weise, die den Papa skeptisch werden ließ. „So piescht doch keine Kuh“, stellte er fest.

Nun ist so ein Hochlandrind ja doch sehr haarig, sodass man nicht ohne triftigen Grund drunterschaut. Doch das war nun unvermeidbar. Es stellte sich heraus, dass in der Aufregung um die Geburt einst wohl Ohrmarken und Geschlechtszuordnungen vertauscht worden waren. Noch am selben Tag tauschten wir den Stier namens Ladybug um und kauften kurzerhand, weil wir schonmal da waren, noch einen Ochsen als Rassegefährten hinzu. Marinette und Adrien weiden nun zufrieden vor sich hin und unsere Kinder haben erste Erfahrungen mit Hochlandrindern gesammelt. Sie wissen, wie man mit einer Kuh auf der Weide umgeht.. Doch was ist zu tun, wenn plötzlich eine Kuh im eigenen Garten auftaucht? Wie passend, dass uns gerade jetzt eine Geschichte dazu ins Haus flatterte.

Die Kuh in Sandra Niermeyers Buch war sicher vor dem Schlachter geflohen, sonst wäre sie doch nicht einfach bei Rike und ihren Geschwistern in den Pool gesprungen. Für die Kinder ist jedenfalls klar, dass sie sich jetzt um Poola kümmern müssen. Zum Glück sind gerade Sommerferien.

 

Kurzrezension

Was der sechsjährige Jannis zunächst für sein Wunschmammut hält, ist in Wirklichkeit ein Hochlandrind. Seine große Schwester Valli, das wandelnde Lexikon, findet das schnell heraus. Und weil für Valli, Rike und Jannis feststeht, dass die Kuh nicht ohne Grund zu ihnen geflohen ist, entscheiden sie kurzerhand, sie vor allen Erwachsenen, die ihr gefährlich werden könnten, zu schützen.

Mit den eigenen Eltern ist das nicht so schwierig. Die sind ohnehin fast nie da und bekommen gar nicht mit, was bei ihren Kindern los ist. Aber die Nachbarn, Herr Kuhbrock auf der einen Seite, Frau Betz auf der anderen, die sollten lieber nichts von dem tierischen Zuwachs in der Siedlung mitbekommen.

Gar nicht so einfach, eine Kuh zu verstecken. Schließlich ist sie nicht nur groß, sondern muht auch schon mal und hinterlässt riechende Fladen. Sehr viele Fladen. Um genau zu sein: zu viele für einen kleinen Garten.

Not macht erfinderisch, und die drei Kinder halten in Sachen Poola fest zusammen und kommen auf die aberwitzigsten Ideen, um das Leben mit Kuh möglich zu machen: Aus der Kellersauna wird ein Kuhstall, über die Spitzen der gewaltigen Hörner werden kurzerhand Boxhandschuhe gestülpt, um Verletzungen vorzubeugen, und die Fladen werden mit Mamas Stöckelschuhen gekennzeichnet.

Tatsächlich drehen sich Mama und Papa so sehr um sich selbst und um ihre Arbeit, dass sie nicht nur die Kuh übersehen, sondern auch die Sorgen und Nöte ihrer Kinder. Die bekommen unerwartet Beistand von der Nachbarin Brigitte Betz. Anfangs nur an dem unverhofften Dünger für ihre Rosen interessiert, entwickelt auch sie schnell eine Sympathie für das zottelige Rindvieh, und unterstützt die Kinder fortan.

Durch einen Zufall findet Rike heraus, woher die Kuh stammt und warum sie allein in der Stadt unterwegs war: Poola heißt eigentlich Paula, lebt im Tierpark und ist ihrer Kuhfreundin Hedwig auf der Flucht von der benachbarten Weide gefolgt. Dabei hat sie sich in den Pool verlaufen. Nun müssen Valli, Rike und Jannis also noch eine zweite Kuh retten. Dafür – und nicht nur dafür – brauchen sie dann aber doch ihre Eltern.

 

Die Geschichte um drei sich größtenteils selbst überlassene Kinder und ihr unfreiwilliges Haustier ist gleichzeitig urkomisch und anrührend. Die Ideen und der Tatendrang der Kinder, ihre Hilflosigkeit einerseits und ihr „Überlebenswille“ andererseits lassen dieses humorvolle Buch gleichzeitig zu einem Ratgeber für vielbeschäftigte Eltern werden. „Hört den Kindern zu! Seht Eure Kinder! Packt das Smartphone weg“, möchte man Rikes Eltern ein ums andre Mal zurufen. So absurd es erscheint, dass Erwachsene so ignorant sein können, eine Kuh zu übersehen, so wahrhaftig ist es leider, dass viele Eltern ihr Kinder nicht richtig wahrnehmen, ihre Probeme übersehen oder als Nichtigkeiten abtun.

Neben dem einen oder anderen Vegetarier-Impuls und Tierschutzgedanken beeindruckt vor allem die heftige Elternschelte von Valli, welche die Wende in der Geschichte einleitet. Dennoch bleibt der Roman humorvoll und wirkt nicht gezwungen moralisierend. Im Vordergrund stehen der Witz und die Energie der Kinder, deren Ferienprojekt „Kuh“ all ihre Energien freisetzt und den starken Zusammenhalt der auf sich allein gestellten Kinder unter Beweis stellt. Hin und wieder meldet sich Kuh Poola selbst zu Wort. Diese Beiträge hätte man sich häufiger, aber dafür knapper gewünscht. Und ja – natürlich sind manche Wendungen in der Geschichte dann doch sehr vorhersehbar. Insgesamt aber ist Sandra Niermeyers Buch etwas Neues, die Geschichte ist kreativ und ungewöhnlich und somit ein absolut gelungener Lesespaß.

Altersempfehlung: 7-10 Jahre
Volumen: 219 Seiten

Daten zum Buch „Die Kuh im Pool“

Titel: Die Kuh im Pool
Autor: Sandra Niermeyer
Verlag: magellan
Jahr/Auflage: 2021/1.

ISBN: 978-3734841514

Die Kuh im Pool

KriteriumBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt10
Titelwahl10
Aufmachung10gebunden, hochwertig, sehr niedliche und lustige Zeichnungen, szenische Bilder und bidlliche Hervorhebung von zum Kapitel passenden Stichworten machen das Werk stimmig
Text/Sprache9Hier und da ist einer Neigung zu Schachtelsätzen erkennbar, die für Leseanfänger, Grundschüler und Vorleser zu Stolpersteinen werden.
Inhalt10Drei sich größtensteils selbst überlassene Kinder kümmern sich auf teiks abstruse Weise um eine durch Zufall bei ihnen gelandete Hochlandkuh. Erst, als aus der einen Kuh zwei werden, geben sie notgedrungen das Versteckspiel auf und bitten ihre physisch und mental meist abwesenden und überforderten Eltern um Hilfe.
Pädagogische Themen10Familie
ernachlässigung
Ignoranz
Hilfsbereitschaft
Zusammenhalt
Tierschutz
Pädagogischer Wert10Ganz weit orne steht hier der geschwisterliche Zusammenhalt, die Aufopferungsbereitschaft für ein Tier und die Notlage, die selbst die Nachbarn dazu bringt, mit den Kindern an einem Strang zu ziehen.
Schlüssigkeit/Logik-
Kreativität10Die Geschichte ist so kreativ, wie Kinder sein können, wenn sie ein aufregendes Projekt verfolgen.