Das große Durcheinander

Das große Durcheinander

Das große Durcheinander, Christine Merz, Barbara Korthues

Ich gehöre eigentlich nicht zu den Müttern, die anderen süffisant ein „Das verstehst du nicht, du hast ja keine Kinder“ reindrücken. Die meisten Umstände oder Veränderungen, die das Leben mit Kindern mit sich bringt, tragen eine gewissen Logik in sich, die meiner Meinung nach auch ein kinderloser Erwachsener mit ein wenig Empathie und Menschenverstand nachvollziehen kann. Hin und wieder allerdings gibt es Kausalzusammenhänge in Familien mit Kindern, die für Außenstehende eher ungewöhnlich daherkommen.
Nehmen wir einmal das Beispiel „Auto putzen“. Eine dieser Sachen, die irgendwann von jedem, der ein Fahrzeug, das einen geschlossenen Raum hat, einmal erledigt werden muss. In unserem Fall liegt die Dringlichkeit bereits seit Oktober vor – also genau einen Tag, nachdem ich das Auto zuletzt ausgesaugt und ausgewischt habe. Warum es bei uns ungeschriebenes Gesetz ist, dass ich für die Sauberkeit des Innenraumes, mein Mann eher für die Sauberkeit der Karosserie zuständig ist, kann ich nicht genau erklären. Das ist einfach so. Irgendwie teilen sich solche Arbeiten in Lebensgemeinschaften immer irgendwann von selbst auf. Meist so, dass beide das Gefühl haben, mindestens siebzig Prozent der Arbeit zu erledigen.
Jedenfalls: Während bei Otto-normal-Singles das Putzen und Waschen des fahrbaren Untersatzes meist vom Wochentag oder vom Wetter abhängig ist, stellt sich der Kausalzusammenhang bei uns anders dar: Meine Kinder hatten eine Wachstumsschub. Beide. Gleichzeitig. Und zusammen haben sie mindestens fünfzehn Zentimeter zugelegt. Also habe ich den kompletten Freitag damit verbracht, das Auto zu putzen.
Und? Wer versteht den Zusammenhang?

Richtig: Eltern.

Genauer gesagt Eltern, die hochwertige und komplizierte Kindersitze gekauft haben, die man einfach extrem ungern ausbaut, wenn sie einmal richtig sitzen. Jetzt aber haben die Kinder einen Schub gemacht, und es ist höchste Zeit, die Schultergurte zu verstellen. Dafür muss mein Mann die Sitze ausbauen. Und da ich das Auto zuletzt geputzt habe, als die Kinder den letzten Schub hatten, muss ich eben genau an diesem Tag die Gelegenheit nutzen und das kindersitzfreie Auto putzen.
Jeder, der die Konsistenz von eingetrockneter Salzstangenkekskrümelmilchapfelschorle kennt, kann erahnen, dass diese Aktion Zeit und zwei Pakete Babyfeuchttücher kostet. „Kein Mensch putzt sein Auto mit Babyfeuchttüchern“, behauptet mein Mann. Aber der hat leicht reden, er putzt ja nie den Innenraum der Familienkutsche. Womit er vermutlich Recht hat, ist, dass kein Mensch außer seiner Frau auch die Karosserie des Autos mit Babyfeuchttüchern putzen würde. Aber ich war eben grad schonmal dabei. Und außerdem glänzt der Wagen jetzt schön, so frisch geölt. Und wenn mein Kind dann morgen vor dem Kindergarten wieder einmal feststellt: „Mami, Mias Auto ist rot und unseres ist golden“, dann brauch ich nicht beschämt murmeln: „Naja, genau genommen ist unseres zurzeit eher schwarz“, sondern kann erhobenen Hauptes sagen: „Genau! Unser Auto ist golden. Und schön sauber. Und es glänzt.“ Jedenfalls für den Augenblick. Bis das nächste Mal Mann und Kinder in dem Auto sitzen.

Kurzrezension

„Mama hat keine Lust mehr, immer für die ganze Familie aufzuräumen.“ So beginnt das Kinderbuch „Das große Durcheinander“. Okay, ganz gendergerecht ist die Geschichte nicht formuliert, aber mal ehrlich: In den aller-allermeisten Familien ist es bittere Realität: Keiner räumt hinter sich auf, nur eine räumt hinter allen her, und das ist die Mutti.
Linas und Pauls Mutter streikt jedenfalls jetzt – was bei einer Mutter so viel heißt wie, dass sie fortan nur noch drei Räume aufräumt und die anderen drei Zimmer unter Papa, Lina und Paul aufgeteilt werden. Mama macht also Küche, Wohnzimmer und Flur, Papa das Arbeitszimmer, die Kinder das Kinderzimmer und Papa zusammen mit den Kindern das Bad. Klingt fair, oder? Vor allem, wenn man bedenkt, dass es sicher auch noch ein Elternschlafzimmer gibt, welches Mutti heimlich aufräumt, ohne das extra zu betonen.
Jedenfalls sind anfangs alle mit dem Plan einverstanden. Keine große Sache. „Und wenn wir so aufräumen, wie es uns gefällt, meckerst du dann?“, will Lina wissen. Mama verspricht, nicht zu meckern – aber auch keinen Finger zu rühren. Dann vergehen die Tage und mit ihnen zieht die Unordnung in die Zimmer ein, teilweise, weil aus Unachtsamkeit etwas herunterfällt, teilweise, weil beim Spielen und arbeiten eben hier und da was liegenbleibt. Und wie das so ist: Wenn man es nicht gleich wegräumt, dann liegt es eben morgen auch noch da.
So langsam ist Papa von der Unordnung im Bad genervt und Lina und Paul finden im Kinderzimmer kaum noch ein freies Fleckchen zum Spielen. Aber es ist noch nicht so schlimm, dass sie es freiwillig ändern würden. Doch dann geschieht das Unvermeidliche: Etwas geht in dem Tohuwabohu verloren, was man nicht einfach ignorieren kann: Linas Hamster Krümel.
Die Suche im allgemeinen Chaos ist nicht ganz leicht, schließlich kann so ein Hamster schnell zwischen irgendwelchen Sachen zerquetscht werden. Alle helfen mit beim Suchen. Letztendlich rettet der mutige Krümel sich selbst in seinen Käfig zurück. Die Erkenntnis bleibt: So ein großes Durcheinander gefällt eigentlich niemandem. Aber aufzuräumen, dazu hat auch keiner so recht Lust. Mama erklärt ihnen, warum es ihr leichter fällt: „Man muss es eben öfter machen und dafür sorgen, dass ein so großer Misthaufen gar nicht erst entsteht.“ Und die gut organisierte Mutti hat auch gleich noch einen Basteltipp parat: Eine Uhr, aus der hervorgeht, wer an welchem Tag welche Aufräumarbeit erledigen soll. Denn wenn jeder immer regelmäßig aufräumt, bleibt das Chaos übersichtlich.
Soweit die Theorie. Um das in der eigenen Familie in die Praxis umzusetzen, ist dem Originalbuch eine Bastelvorlage für eine Arbeitsteilungsuhr beigefügt worden. Hilfreich wäre es gewesen, diese Uhr mit sieben Wochentagen auszustatten, um klarzustellen, an welchem Tag tatsächlich wer welches Zimmer aufräumt. Aber für die Umsetzung dieser Anregung muss letztlich jede Familie ihren eigenen Plan entwickeln – und sich daran halten.
Das Buch erzählt auf lustige Weise, wie es schnell zu einem unübersichtlichen Durcheinander kommen kann. Die Notwendigkeit des Aufräumens wird nicht mit erhobenem Zeigefinger sondern mit dem allgemeinen Unwohlsein deutlich gemacht, das in dem Chaos entsteht. Dadurch, dass auch der Papa seine Pflichten vernachlässigt und selbst Chaos verbreitet, wird der Schwarze Peter hier nicht einfach den Kindern zugeschoben und deutlich, dass in einer Wohngemeinschaft jeder, Kind wie Erwachsener, regelmäßig seinen Teil beitragen muss, damit alle sich wohlfühlen können – Mensch und Hamster.

Altersempfehlung: 3-8 Jahre
Vorlesezeit: 10 Minuten

Daten zum Buch „Das große Durcheinander – Ein Bilderbuch vom Aufräumen“

Titel: Das große Durcheinander – Ein Bilderbuch vom Aufräumen
Autor: Christine Merz, Barbara Korthues
Verlag: Herder
Jahr/Auflage: 2009

ISBN: 978-3451709418

Das große Durcheinander

TitelwahlBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt10
Titelwahl10
Aufmachung10Hardcover
DinA4, doppelseitige Bilder, kindgerechte Zeichnungen mit vielen Details
Text/Sprache10nicht zu simpel, aber zum Vorlesen und ersten selber Lesen bestens geeignet
Inhalt10Die Geschichte ist in Tage eingeteilt, beginnend mit dem Moment, in dem Linas und Pauls Mutter sagt, dass sie nicht mehr alleine alles aufräumen möchte, wie bisher. Arbeitszimmer, Bad und Kinderzimmer sollen fortan von den Kindern und dem Papa aufgeräumt werden. Die vorgeschlagene Arbeitsteilung stößt zunächst nicht auf besonderen Widerstand. Doch im Laufe der nächsten sieben Tage tun sich im Kinderzimmer, Badezimmer und Arbeitszimmer eine Menge Dinge, die zu einem riesigen Durcheinander führen, denn tatsächlich räumt niemand mehr hier auf. In diesem Durcheinander geht Linas Hamster Krümel verloren. Die Kinder und der Papa stellen fest, dass so ein Durcheinander keine gute Sache ist. Sie haben zwar keine Lust, Aufzuräumen, erkennen aber die Notwendigkeit. Anhand einer Aufräum-Uhr wollen sie sich künftig an die Arbeitsteilung halten, damit gar nicht erst so ein Chaos entsteht. Das dürfte auch in Krümels Sinne sein.
Pädagogische Themen9Regeln im Gemeinschaftsleben
Arbeitsteilung
Ordnung und Sauberkeit
Pädagogischer Wert9Hier wird ohne erhobenen Zeigefinger erzählt, wie Unordnung entstehen kann und warum es wichtig ist, diese hin und wieder aufzuräumen. Zudem wird klar, dass es allen gut tut, wenn jeder in einer Lebens- und Wohngemeinschaft wie in der Familie von Lina und Paul seinen Teil dazu beiträgt, dass alle sich wohlfühlen können.
Schlüssigkeit/Logik9Einzig wieso der Hamster in seinen Käfig zurückfindet, erscheint nicht ganz schlüssig, tut der Geschichte aber keinen Abbruch.
Kreativität10