Das Ding oder der verflixte Diebstahl

Das Ding oder der verflixte Diebstahl_Pressler_Cordes

Das Ding oder der verflixte Diebstahl, Mirjam Pressler, Miriam Cordes

Stehlen ist falsch, das wissen eigentlich doch so ziemlich alle Kinder. Aber was ist, wenn es doch einmal passiert?

Kurzrezension

Alina hat einen schlechten Tag. Nichts läuft wie sie es gerne hätte. Und dann zeigt Jule ihr auch noch so ein schönes Ding. Alina will auch so ein Ding haben, aber ihre Mutter sagt „Nein“.

Als Alina mit ihrer Mutter einkaufen geht, entdeckt sie im Kaufhaus genau so ein Ding. Doch wieder sagt die Mutter „Nein“. Und da passiert es: Alina nimmt das Ding, betrachtet es, fühlt es in ihrer Hand und lässt es einfach in ihrer Hosentasche verschwinden.

So schön Alina das Ding auch fand – seit es in ihrer Tasche ist, wird es irgendwie etwas unangenehm. Es wird größer und ganz heiß. Zuhause packt sie es deshalb ganz schnell in eine Schublade, ganz nach unten. Doch Alinas komisches Gefühl geht nicht weg. Sie versucht, zu lesen, doch es macht keinen Spaß. Als sie das Ding wieder aus der Schublade holt, klingelt es plötzlich an der Tür. Alina erschrickt. Das Ding fühlt sich gleich wieder ganz heiß an und sie versteckt es unter dem Bett.

 

Zu Besuch kommt Frau Wolter, die Probleme mit ihrer Tochter hat. Sie sucht Rat bei Alinas Mutter. Auch Alina hat ein Problem, denn das Ding wird auch unter dem Bett immer größer und ganz heiß. Sie versteckt es in der Kleiderkiste. Auch das hilft nicht. Alina versucht wieder, ihr Bilderbuch anzusehen, doch die Kleiderkiste scheint mitsamt dem Ding ganz heiß zu werden – brennt sie etwa gleich?

Frau Wolter geht wieder. Mutter sagt noch zu ihr, dass man über seine Probleme reden muss, das sei selbstverständlich. Das bringt Alina auf eine Idee: Sie will auch über ihr Problem sprechen, doch nicht als sie selbst. So verkleidet sie sich mit den Sachen aus der Kleiderkiste und gibt sich als Frau Knüller aus, die sich bei ihrer eigenen Mutter einen Rat holt. Die Mutter erschrickt, als Frau Knüller von dem Diebstahl „ihres Kindes“ berichtet. Alina alias Frau Knüller zählt denkbare Strafen auf für das böse stehlende Kind.

Doch Mutter sagt, sie würde das Kind nicht bestrafen, weil sie glaubt, dass das Kind eigentlich auch gar nicht stehlen wollte. So löst sich die Anspannung bei Alina und gemeinsam mit ihrer Mutter beschließt sie, die Sache wieder in Ordnung und das Ding zurückzubringen.

 

 

Grundsätzlich geht diese Geschichte sehr gut mit dem Thema Diebstahl um. Die Schuldgefühle und das schlechte Gewissen werden sehr anschaulich und nachvollziehbar geschildert. Etwas fraglich sind folgende Punkte:

1.Als Frau Wolter von ihren Problemen mit ihrer Tochter erzählt, sagt Alinas Mutter, man solle die Launen von Kindern nicht so ernst nehmen. So ein Rat ist eine Gratwanderung. Denn so lapidar uns Erwachsenen eine kindliche Missstimmung oder Laune erscheinen mag – so schwerwiegend kann sie gleichzeitig für das Kind sein, dessen Gefühle durchaus ernstgenommen werden sollten.

2.Alina hat die Hexe aus ihrem Puppentheater zur Strafe schon seit einer Weile in einer Schublade eingesperrt. Wächst das Kind etwa in einer Strafatmosphäre auf und erwartet dementsprechend auch eine sehr harte Strafe für ihren Diebstahl? Sie zählt die möglichen Strafen auf: Haue, Schimpfe, Essensentzug und weitere. Die Mutter negiert zwar alles und betont, dass Verhauen nie etwas nützen würde – aber wieso hat Alina dann sofort diese Dinge im Sinn?

 

Nun, so gerne wir es auch anders sehen würden: Wir leben in einer Gesellschaft, in der Strafen für kleine Kinder selbstverständlich sind – leider auch physische Gewalt. Deshalb ist es vielleicht nicht weit hergeholt, wenn Alina Haue fürchtet für ihren Diebstahl. Selbst, wenn sie nie selber welche bekommen hat – sie könnte im Freundeskreis davon gehört haben.

 

Alinas Mutter dagegen regt an, erst einmal zu hinterfragen, warum das Kind gestohlen hat und ob es wirklich stehlen wollte. Und dann schlägt die Mutter eine ganz pragmatische Lösung vor: Alina und sie bringen das „aus Versehen“ gestohlene Ding ganz einfach wieder zurück.

 

Besonders gefällt an dieser Geschichte, dass dem gestohlenen Gegenstand keine wirkliche Bedeutung zukommt. Es bekommt keinen Namen, es bleibt einfach nur „das Ding“. Was genau Alina so gereizt hat, dass sie es gestohlen hat, ist irrelevant. „Das Ding“ spielt keine Rolle. In diesem Buch geht es vielmehr um die Beziehung zwischen Alina und ihrer Mutter und darum, wie wichtig es für ein Kind gerade in einer Krise ist, der eigenen Mutter vertrauen, sich ihr anvertrauen zu können.

 

Alina weiß, dass sie etwas falsch gemacht hat. Und sie fürchtet offenbar eine harte Strafe von ihrer Mutter. Dennoch: Ihr schlechtes Gewissen, welches von dem immer größer und heißer werdenden Ding sehr anschaulich in Worten dargestellt wird, bringt Alina dazu, sich ihrer Mutter anzuvertrauen und dadurch zur Lösung des Problems zu finden. Eine vertrauensvolle Eltern-Kind-Beziehung ist also die Lösung.

 

Ein schwieriges Thema wird hier auf eine interessante und auch unterhaltsame Weise authentisch angegangen. Abgesehen von den beiden genannten diskussionswürdigen Punkten ist dieses Buch aus pädagogischer Sicht ein hilfreicher Ansatz, um mit dem eigenen Kind über Vertrauen und Ehrlichkeit zu reden. Vielleicht noch nicht mit vier Jahren – mein Kind zum Beispiel war nämlich mehr daran interessiert, auch so ein spannendes namenloses „Ding“ haben zu dürfen. Sie war allerdings auch bereit, es nur kurz zu nehmen und dann gleich wieder zurückzulegen. Wofür auch immer es nütze sein mag, dieses „Ding“.

 

Altersempfehlung: 5-7 Jahre
Vorlesezeit: 12 Minuten

Daten zum Buch „Das Ding oder der verflixte Diebstahl“

Titel: Das Ding oder der verflixte Diebstahl
Autor: Mirjam Pressler, Miriam Cordes
Verlag: Ellermann
Jahr/Auflage: 2009

ISBN: 978-3770755004

Das Ding oder der verflixte Diebstahl

TitelwahlBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt10
Titelwahl10
Aufmachung10Hardcover
DinA4
Ein schuldbewusst dreinblickendes Kind auf dem Cover, das heimlich etwas in der Hosentasche verschwinden lässt gibt den Tenor des Buches wieder: Schuldgefühle.
Text/Sprache10Der Text ist ruhig formuliert, aber die Anspannung, die das Kind während der gesamten Geschichte spürt, wird durch die Erzählweise sehr nachvollziehbar auf den Leser übertragen.
Inhalt10Alina hat einen ganz miesen Tag. Nichts läuft so, wie sie es sich vorstellt. Und dann zeigt Jule ihr etwas, ein Ding, was sie unbedingt auch haben möchte. Doch Mama will es ihr einfach nicht kaufen. Und dann passiert es: Alina lässt das Ding im Kaufhaus einfach in ihre Hosentasche rutschen. Da steckt es nun und fühlt sich irgendwie heiß an. Zu Hause versteckt Alina das Ding schnell in einer Schublade, denn es ist nicht nur heiß, sondern irgendwie auch so groß geworden. Aber auch in der Schublade und unter dem Bett und in der Kleiderkiste lässt das Ding Alina nicht zur Ruhe kommen. Und dann muss Alina ihrer Mutter von ihrem Problem mit dem geklauten Ding erzählen - aber wie? Am besten hypothetisch. Alina verkleidet sich als Mutter und beichtet ihrer eigenen Mutter schließlich, was ihr auf der Seele brennt. Und zum Glück weiß Mutter, wie man das Problem wieder aus der Welt schaffen kann.
Pädagogische Themen10Diebstahl
Ehrlichkeit
Lügen
Besitz
Unzufriedenheit
Familie
Sicherheit
Hilfe
Pädagogischer Wert9Dass Steheln falsch ist, weiß jedes Kind. Aber Alina weiß es nicht nur, sie spürt es richtiggehend, dass sie etwas falsch gemacht hat, als sie das Ding geklaut hat. Das Gefühl, das Alina hat, das schlechte Gewissen, das Schuldgefühl, wird in diesem Buch sehr verständlich und glaubwürdig dargestellt, sodass man sich leicht in Alinas Situation einfühlen kann. Gut gelöst ist auch die Sache mit dem Vertrauen und der Ehrlichkeit. Beides hilft Alina, ihrer Mutter die Wahrheit zu sagen, sodass ihre Mutter ihr helfen kann. Abzüge gibt es für die Art der Bestrafung der Handpuppe und für den Rat an die Nachbarin, die Launen ihres Kindes nicht ernst zu nehmen.
Schlüssigkeit/Logik10
Kreativität10