Sybille denkt nach – Eine Einführung in die Reflexion für Kinder

Sybille denkt nach, Alexander Jungmeister

Was sind die Konsequenzen, die logischen und unvermeidbaren Folgen meines Tuns und Nichttuns? Warum sind die Gegebenheiten, wie sie sind? Kann ich sie ändern? Sich diese Fragen zu stellen, ist für Entscheidungsfindungen von großer Bedeutung und gehört damit auch zur Entwicklung des Selbstbildnisses und der Rollenfindung von Heranwachsenden.

Kurzrezension

Das Büchlein „Sybille denkt nach“ versteht sich als „Einführung in die Reflexion für Kinder“. Im ersten Kapitel werden die Akteure, die sechsjährige Sybille und ihre Familie, kurz vorgestellt. Jedes weitere Kapitel geht von einer Frage aus, die Sybille sich in ihrem Alltag stellt. Durch das Fragen nach dem Wetter lernt sie den Begriff der prozentualen Wahrscheinlichkeit kennen und die unterschiedlichen Formen von Wasser werden erklärt.

In Kapitel zwei geht es um die Relevanz von Hausaufgaben und die möglicherweise weitreichenden Folgen, die es haben könnte, wenn Sybille ihre Aufgaben nicht erledigt. In Kapitel drei geht es in Ansätzen um die Liebe. Es folgen das Thema „Aufräumen“, die Frage nach der Entstehung von Leben, Probleme mit anderen Kindern in der Schule, das Wahlrecht und Gesetze, Ernährung, ein Bauprojekt, das Sybille mit ihrem Bruder durchführt und dann sinniert Sybille noch über Kunst, Schwarzfahrer, Ferien und Außenseiter.

Insgesamt werden in 15 Kapiteln 13 Themenbereiche angeschnitten, mit denen Kinder mit Eintritt in das Schulalter verstärkt in Berührung kommen. Sybille hat Fragen, die sie hauptsächlich an ihre Eltern richtet. Entsprechend sind die Impulse, aus denen sie ihre Antwort, ihre Problemlösung entwickelt, tatsächlich oft nur die gespiegelten Meinungen ihrer Eltern. So richtig zu eigenen Schlussfolgerungen kommt Sybille leider nicht oft, und das macht das Manko des Büchleins aus: Es kommt beim Leser weniger als Anregung zur Selbstreflexion an, denn als Lehrstunde für moralisch und rechtlich allgemeinhin als richtig anerkanntes Verhalten.

Dadurch, dass der Text großteils aus Frage-Antwort-Gesprächen zwischen Sybille und ihrer Familie besteht, wird das Buch zudem schnell fad. Die Figuren gewinnen nach der kurzen Vorstellung nicht an Kontur, die Themenbereiche sind zusammenhanglos aneinander gereiht worden. Es entsteht einerseits keine Geschichte, doch die eindimensionale Beschränkung auf die Sicht der Eltern lässt auch keine reine Einordnung in die Kategorie Sachbuch zu.

Die Aufmachung ist nicht schlecht, die Fragestellungen in den Sprechblasen eines einleitenden Szenenbildes lockern den Text auf und die Zeichnungen der Figuren sind sympathisch und kindgerecht. Die Textlänge ist für Grundschüler beherrschbar. Alles in allem ist dies ein gut gemeintes Büchlein über Alltagsthemen und das, was viele Eltern gerne hätten, das die Kinder aus aufkommenden Fragen schlussfolgern würden. In Ansätzen bietet es Anregung und Beispiele zur Selbstreflexion, vor allem in Kapitel 14. Hier kommt Sybille nicht durch Antworten der Eltern, sondern durch das stete Nachfragen ihrer Mutter zu ihrer eigenen Erkenntnis und macht das, was in der anschließenden Grafik zum Reflexionsmodell Nachdenken – Bewerten – Handeln dargestellt wird.

Von der Gesamtumsetzung her ist das Büchlein als Kinderbuch für Selbstleser aber leider nicht überzeugend, weil entgegen des eigenen Anspruchs zu wenig Reflexion vorgefertigter Meinungen stattfindet und gleichzeitig eine logische Abfolge und ein Spannungsbogen gänzlich fehlen. Auch gibt es einfach zu wenig Handlung, um Interesse zu erzeugen. Der in Kapitel 1 als „immer mit dabei“-Figur extra erwähnte Kater Oskar beispielsweise taucht zwar zusammenhangslos in jeder Zeichnung auf, spielt aber im Text überhaupt keine Rolle.

Als Impuls, um mit Kindern über die angesprochenen Themenbereiche zu reden, ist das Buch dennoch geeignet.

Altersempfehlung: 7-8 Jahre
Volumen:  52 Seiten / 15 Kapitel + ein Nachwort für Eltern

Daten zum Buch „Sybille denkt nach – Eine Einführung in die Reflexion für Kinder“

Titel: Sybille denkt nach – Eine Einführung in die Reflexion für Kinder
Autor: Alexander Jungmeister, Sabine Gutsch
Verlag: novum
Jahr/Auflage: 2016

ISBN: 978-3903067783

Sybille denkt nach - Eine Einführung in die Reflexion für Kinder

KriteriumBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt8
Titelwahl10
Aufmachung10kleines, schmales, gebundenes Büchlein mit ansprechenden Zeichnungen im Comic-Stil
Text/Sprache8Der Text besteht fast nur aus Frage-Antwort-Gesprächen.
Inhalt7Sybille macht sich im Alltag Gedanken zu den verschiedensten Themen und stellt - hauptsächlich ihren Eltern - Fragen dazu. Die Antworten leuchten ihr meist ein, was durch ein "Aha" betont wird. So erfährt sie, was es mit dem Regen auf sich hat, warum Menschen zu Messies oder Schwarzfahrern werden könnten und wie Babys entstehen können. Jedes Kapitel endet mit einer Einsicht
Pädagogische Themen10Verantwortung
Entscheidungen
Reflexion
Mobbing
Beziehung
Ursache-Wirkung
Gefühle
Denkweisen
Meinungsbildung
Pädagogischer Wert7Das Hauptziel, Kinder zu stärken und zur Reflexion anzuregen, wird nur über gemeinsame Gespräche und weniger durch das Lesen des Buches erreicht. Ohne begleitendes Gespräch wird es wohl wirkungslos bleiben. Da nützt auch das tabellarische Reflexionsmodell im vorletzten Kapitel nichts.
Schlüssigkeit/Logik7Es erschließt sich weder die Themenwahl, noch Reihenfolge, noch die Herangehensweise. Sybille nimmt fast zu jedem Thema die Ansicht ihrer Eltern an und kommt nur selten zu eigenen Schlussfolgerungen.
Kreativität7Keine der Fragen bzw. keines der Probleme wird hier anders als durch Frage-Antwort-Dialoge gelöst. Das ist spätestens ab dem dritten Kapitel leider sehr fad.