Schleifebinden links, rechts, mit Knoten oder Doppelknoten, am Schuh, an der Schürze, am Kleid und im Haar – einfach, hübsch und praktisch, schnell gebunden, rasch aufgezogen, kinderleicht – oder? Hand aufs Herz, wer erinnert sich überhaupt noch daran, wann und wie er selbst das Schleifebinden gelernt und wie lange es gedauert hat? Einfach war es jedenfalls bestimmt nicht.
Kurzrezension
Finn und Mailin können keine Schleife binden. Die ganze Familie hat schon versucht, es ihnen beizubringen – vergeblich. Deshalb suchen sie sich immer nur Schuhe mit Klettverschlüssen aus. Doch heute im Schuhgeschäft ist etwas anders: Sie sehen Luca, den Jungen, der problemlos an seinem neuen Fußballschuh eine Schleife bindet. Dabei murmelt er etwas vor sich hin. Bestimmt ein Zaubertrick.
Luca ist nett, er zeigt Mailin und Finn, mit welchem Spruch er sich gemerkt hat, wie er seine Schleife binden muss. Und nachdem Luca es ihnen vorgemacht hat, machen die beiden Geschwister es ihm nach. Und schon klappt es. Auch beim zweiten Versuch. Und sogar den Doppelknoten bringt Luca ihnen noch bei. Die Kinder sind begeistert und suchen sich nun Fußball- und Ballerinaschuhe aus – mit Schuhbändern, statt mit Klettverschlüssen.
Ist das schon wieder so ein Lehrbuch, das Eltern erklärt, ab welchem Alter ihre Kinder was können müssen, um „normal“ zu sein? Windelfrei mit drei, schnullerfrei mit zwei, Zähne richtig putzen mit vier, Schuhe binden mit fünf, Gemüse statt Pommes und pünktlich um sieben ins eigene Bett und da gefälligst durchschlafen. Die Liste der gesellschaftlichen Ansprüche, die an kleine Kinder und nicht zuletzt auch an ihre Eltern gestellt werden, ist lang, und macht vor allem eines: Druck aufbauen. Gutgemeinte „So geht es ganz leicht“-Bücher gibt es zuhauf, und sie sind nicht selten unlustig und frustrierend.
Annette Langen begibt sich in ihrem Büchlein, dass nach eigenen Angaben keine ausgedachte, sondern eine genau so erlebte Geschichte wiedergibt, auf eine Gratwanderung: Einerseits ist die Geschichte authentisch und nett erzählt. Und dass Kinder am besten am Vorbild anderer Kinder lernen, wird glaubwürdig beschrieben. Andererseits wird auch in diesem Buch das Gefühl vermittelt, dass gewisse Dinge in einem gewissen Alter gekonnt werden müssen. Weil es sonst „peinlich“ ist, wenn man als Schulkind, wie Mailin, noch keine Schleife binden kann. Mailin vertuscht ihr Manko, indem sie auf Klettverschlüsse setzt. Schöner wäre freilich, wenn Kinder es nicht vertuschen müssten, wenn sie etwas nicht können, weil sie in einer Gesellschaft leben, die ihnen die Zeit gibt, die sie zum Lernen brauchen.
Die Autorin weist am Ende der Geschichte darauf hin, dass ihre eigenen Kinder das Schleifebinden lange Zeit nicht gelernt hatten. Dann, durch den Merkvers und das Beispiel eines anderen Kindes, fiel es ihnen plötzlich ganz leicht.
Ich selbst kann mit dem Baum- und Hasenspruch von Luca nicht so recht etwas anfangen, meine mich aber an eine Schlange und einen See zu erinnern – oder galt die beim Palstek? Egal. Das Netz ist voll mit Merkreimen für Schleifen, da kann sich jeder individuell einen aussuchen. Mein Kind jedenfalls hat schon einen Tag, nachdem wir das Buch gelesen und die ersten Versuche an dem praktischen Coverschuhband gemacht hatten, von ganz allein versucht, mit dem Hasenvers einen Schuh an ihrem Fuß zuzubinden. Okay, es hat noch nicht geklappt. Aber immerhin war der Wille plötzlich da, es ganz allein zu versuchen.
Letztlich kommt es wohl weniger auf den Spruch an, als darauf, dass Kinder erkennen: Es ist nicht dramatisch, wenn man etwas nicht gleich kann. Aber es ist auch schön, wenn man es doch entgegen aller Zweifel schließlich gelernt hat. Kleine Erfolge stärken das Selbstvertrauen. Und wenn einem andere Kinder dabei helfen, etwas zu lernen, bringt es zudem viel mehr Spaß, als wenn sich eine ganze Reihe alleskönnender Erwachsener daran machen.
Alles in allem ist dies ein lustiges und nützliches Buch. Falls es einmal neu aufgelegt werden sollte, würde ich empfehlen, die zusammenfassende letzte Seite ausklappbar zu gestalten. Auf diese Weise könnte man die Bilder und den Spruch sehen und nachlesen, während man an der Coverschleife übt.
Altersempfehlung: 4-6 Jahre
Vorlesezeit: 10-20 Minuten
Daten zum Buch „So klappt’s mit dem Schleifebinden“
Titel: So klappt’s mit dem Schleifebinden
Autor: Annette Lagen, Tina Schulte
Verlag: Coppenrath
Jahr/Auflage: 2009
ISBN: 978-34815792469
So klappt's mit dem Schleifebinden
Titelwahl | Bewertung (1-10) | Begründung |
---|---|---|
Punkte gesamt | 10 | |
Titelwahl | 10 | |
Aufmachung | 10 | Hardcover kleines, fast quadratisches Format Auf dem Cover halten die Hauptfiguren einen Schuh hoch und durch die Deckklappe des Buches wurde ein Schnürsenkel gezogen, mit dem die kleinen Leser das Schleifebinden üben können. |
Text/Sprache | 10 | Der Text liest sich einfach und flott. |
Inhalt | 10 | Mailin und Finn kaufen nur Schuhe mit Klettverschluss, denn das Schleifebinden bekommen sie einfach nicht hin. Bis sie im Schuhgeschäft auf Luca treffen, Der weiß Bescheid und bringt ihnen mit einem Merkvers ganz schnell das Schleifebinden bei. |
Pädagogische Themen | 10 | Lernen Erfolg etwas nicht können scheitern Scham |
Pädagogischer Wert | 9 | Das Buch ist nicht ganz frei von dem Anspruch, dass Kinder in einem gewissen Alter gewisse Dinge können sollten. Aber es macht Mut und dass ein Kind am besten am Vorbild eines anderen Kindes lernt, ist die Quintessenz, die Eltern viele frustrierende Übungsmomente ersparen kann. |
Schlüssigkeit/Logik | 9 | Dass es nach zweimal nachmachen ganz einfach geht, ist etwas unglaubwürdig - aber bei einer wahren Geschichte sollte man es wohl nicht anzweifeln. |
Kreativität | 10 | Ein persönliches Erlebnis zu einer unterhaltsamen Geschichte zu machen, ist nicht so einfach, wie es klingt. |