Das Kinderbuch „Mimi ist sauer“ von Doris Dörrie beschäftigt sich mit dem heiklen Thema Beschimpfungen und Beleidigungen sowie im weitesten Sinne mit Fluchen. Spätestens wenn ein Kind in den Kindergarten kommt, gewinnen Beschimpfungen aufgrund der häufigeren Verwendung an Bedeutung auch in der familiären Umgangssituation.
Kurzrezension
In dieser Geschichte ist die Mutter diejenige, die anfängt mit der Beschimpfung. Auch wenn der Vergleich zwischen Ferkel und einem Kind, das Essensreste im Kinderzimmer verteilt, verständlich erscheint, so ist die pädagogische Lehre, die man aus dieser Geschichte ziehen muss, eindeutig: Mama hat angefangen, und das Kind lässt sich auf Mamas Niveau herab. Denn die als Ferkel titulierte Mimi nennt ihre Mutter in Folge der Beleidigung nun „doofe Kuh“.
Die eben noch so strenge Mutter nimmt die Beleidigung offenbar sehr gutmütig auf, denn sie kehrt das aufeinander wütend sein nun in ein phantasievolles Spiel um. Mimi und Mama malen sich aus, wie es wäre, wenn sie als Kuh und Ferkel zusammenleben würden.
Schwein und Rind erweisen sich erstaunlicherweise als sehr kooperativ und haben eine Menge Spaß zusammen. Und als Ferkel darf Mimi sich auch auf dem Spielplatz in einer Pfütze wälzen. Irgendwie traurig, dass sie das als Kind offenbar nie darf. Aber dies ist nur eine der vielen Ungereimtheiten in der Geschichte. Es erschließt sich absolut nicht, warum Mimi auf Mamas Ferkelbeschimpfung „vor Wut raucht“. Sie könnte sich beleidigt fühlen, oder beschämt, weil das Butterbrot im Bett und die Bananenschale im Schrank ja nun wirklich nicht so angenehm sind. Aber richtig sauer? Vor Wut rauchen?
„Mimi ist sauer“, dieser Titel erfüllt sich in der Geschichte nicht schlüssig. Sauer sein ist ja eine sehr heftige Reaktion. Eine Wut baut sich auf, die wiederum nicht sekündlich verraucht, wenn Mama plötzlich ein Spiel erfindet. Auch, dass Mamas Ärger über die „Schweinerei“ im Kinderzimmer in dem Augenblick verfliegt, in dem sie als „doofe Kuh“ bezeichnet wird, ist alles andere als schlüssig.
Die Idee, aus den Beschimpfungen ein lustiges Spiel zu machen, ist zwar löblich und niedlich, aber bei einem Titel wie „Mimi ist sauer“ wäre ein stärkerer Fokus auf der kindlichen Wut und dem Gefühl, beleidigt worden zu sein, wünschenswert gewesen. Wie geht ein kleines Kind damit um, wenn es beschimpft wird? Was macht das mit dem Kind, wie fühlt es sich? „Mimi raucht vor Wut“, aber einen Augenblick später ist sie fröhlich, ausgelassen und phantasievoll? Das geht etwas zu schnell.
Überhaupt geht alles in dieser Geschichte etwas schnell. Mimi und Mama lachen noch ein wenig darüber, dass Mama den Papa manchmal als Esel bezeichnet, und dann versprechen sie sich, sich nie mehr Tiernamen zu geben. Das war’s.
Ein wenig mehr Eingehen auf ein respektvolles Miteinander, eine Entschuldigung, ein Gespräch über die Gefühle – all das bekommt in dieser Geschichte keinen Raum.
Positiv sind die dem Buch beigefügten Bastelbögen für eine Kuh- und eine Ferkelmaske. Die Animation zum Rollenspiel ist durchaus gegeben, allein es fehlt an Aufarbeitung der gegenseitigen Beschimpfungen.
Altersempfehlung: 3-7 Jahre
Vorlesezeit: 8 Minuten
Daten zum Buch „Mimi ist sauer“
Titel: Mimi ist sauer
Autor: Doris Dörrie
Verlag: Diogenes
Jahr/Auflage: 2004
ISBN: 325-7011067
Mimi ist sauer
Titelwahl | Bewertung (1-10) | Begründung |
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Punkte gesamt | 8 | |
Titelwahl | 8 | Der Titel lässt vermuten, dass hier auf die Wut eines Kindes eingegangen wird. Es wird jedoch nur abgelenkt. |
Aufmachung | 10 | Hardcover doppelseitige Bilder |
Text/Sprache | 9 | Die Sprache ist unkompliziert und der Text lässt sich leicht vorlesen. |
Inhalt | 8 | mama beschimpft Mimi als Ferkel, weil sie in ihrem Zimmer Essensreste findet. Mimi reagiert sehr stark auf diese Beschimpfung, sie "raucht vor Wut", heißt es. Auf dieses heftige Gefühl wird jedoch nicht weiter eingegangen. Nachdem Mimi ihre Mutter nun ebenfalls beschimpft (allerdings nur murmelnd), reagiert die Mutter mit einem fröhlichen und phantasievollen Rollenspiel. Sie stellen sich vor, wie es wäre, wenn Ferkel Mimi, Kuh Mama und Esel Papa zusammen leben würden. Danach vertragen sie sich wieder. |
Pädagogische Themen | 10 | Wut heftige Gefühle Beschimpfungen Verzeihen respektvoller Umgang |
Pädagogischer Wert | 8 | Leider wird weder auf die gegenseitige Beleidigung noch auf Mimis starke Emotion Wut besonders eingegangen. Die Wut wird durch ein ablenkendes Spiel übergangen. Die Beleidigungen werden am Ende zwar nicht zurückgenommen, aber sie versprechen sich, sich nicht mehr zu beleidigen. |
Schlüssigkeit/Logik | 6 | Es erschließt sich leider weder, warum Mimi auf die Beleidigung nicht beleidigt, sondern stark wütend reagiert, noch, warum die Mutter auf die Beschimpfung durch die Tochter nicht wütend reagiert, auch nicht reflektierend, sondern mit einem Rollenspiel. Das Spiel ist zwar lustig, dennoch ist es nicht ganz schlüssig, warum Mimis Wut sekundenschnell verfliegt. |
Kreativität | 10 |