Glámur das Islandpony mit den blauen Augen

Glamur, das Islandpony mit den blauen Augen, Janine Waldvogel, Heidi König

Jeder Mensch ist anders – und jedes Pony auch. Jeder hat seine Eigenheiten, die ihn einzigartig machen. Aber manche stechen ganz besonders aus der Masse hervor, oft schon durch Äußerlichkeiten. Das kann zu besonderer Bewunderung führen, wie bei Stars und Fotomodellen – oder aber auch zu Ausgrenzung, wie im Fall von Glámur, dem Islandpony.

Kurzrezension

Eine kleine Ponyherde lebt auf der Weide eines Bauernhofes. Eigentlich geht es ihnen allen gut, sie spielen viel zusammen und jeden Tag kommen Kinder, um mit ihnen schöne Ausritte zu unternehmen.

Aber ein Pony ist dann immer außen vor: Glámur. Während seine Freunde von den Kindern begeistert begrüßt, geknuddelt und mitgenommen werden, beispielsweise zum Badesee, muss er allein auf der Weide zurückbleiben. Denn kein Kind will mit Glámur knuddeln.

Glámur sieht anders aus, als die anderen Ponys, denn als einziges Islandpony auf der Weide hat er blaue statt braune Augen. Die Kinder finden, dass die Augen böse wirken, und verscheuchen Glámur deshalb immer. Manchmal verspotten sie ihn sogar und nennen ihn Esel, weil er graues Fell hat.

Die anderen Ponys machen dabei zwar nicht mit, denn sie mögen Glámur, aber sie setzen sich auch nicht großartig für ihn ein. Sie erzählen ihm nur abends von ihren Erlebnissen. Glámur fühlt sich einsam, obwohl er eigentlich in einer Amsel einen guten Freund hat. Die Amsel macht ihm Mut und ermuntert ihn, die Hoffnung nicht aufzugeben. Irgendwann wird auch ein Kind kommen, dass an ihm Gefallen findet, meint die Amsel.

Aber das Ausgegrenztsein macht etwas mit Glámur: Er zieht sich zurück, ist verunsichert und wird ängstlich. Als dann tatsächlich eines Tages ein Kind kommt, dass sich mit ihm anfreunden möchte, ist Glámur so verunsichert, dass er eine Weile braucht, zu verstehen, dass dieses Mädchen seine Freundin sein möchte, sein „Knuddelkind“.

Doch als er sich traut und sich mit ihr anfreundet, kann er endlich die schönen Ausflüge miterleben. Mithilfe des Mädchens traut sich Glámur sogar in das kalte Nass des Badesees.

 

Bilderbücher über Ausgrenzung gibt es viele. Was diese Geschichte abhebt, ist, dass das Pony nicht einfach in die Opferrolle geschoben wird, sondern erkennt, dass es auch selbst etwas tun kann für sein Glück: Es darf nämlich die Hoffnung nicht aufgeben und muss die Gelegenheit beim Schopf packen. Es muss den Mut zu haben, der neuen Freundin, nach der er sich so lange gesehnt hat, zu vertrauen.

Die Geschichte ist niedlich, wenn auch ungewöhnlich und fast comicartig gezeichnet. Die Ponys haben keine richtigen Beine und Hufe, ebenso die Menschen: Sie alle kullern auf kleinen Kugeln über die Wiese. Das ist offenbar gewolltes „Markenzeichen“ der Fusselpony-Bilder, die allerdings dadurch und auch durch die Kulisse qualitativ nicht über Kinderzeichungen hinaus kommen.

Dazu kommen ein paar Unstimmigkeiten: Obwohl erwähnt wird, dass alle Ponys außer Glámur braune Augen haben, sieht man auf allen Bildern nur schwarze Pupillen. Einzig Glámurs Augen haben überhaupt eine Iris. Die Haare des Mädchens, das sich am Ende mit Glámur anfreundet, haben auf jedem Bild eine andere Länge. Die Gestaltung mit nur einseitig bedruckten Seiten ist sehr simpel. Auf der oberen Hälfte der rechten Seite befindet sich ein cartoonartiges Bild, darunter ein paar Zeilen Text. Links schaut man auf ein leeres Blatt Papier. Das dünne Papier erweckt zudem den Eindruck, das Büchlein sei im Copyshop erstellt worden. Hier zeigen sich die möglichen Mängel bei BoD-Veröffentlichungen. Auch wenn die Farben des Drucks kräftig und gut sind, ist der Kaufpreis hierfür doch sehr hoch angesetzt.

Auch aus erzählerischer Sicht könnte dieses Buch gerne noch etwas überarbeitet werden, denn Spannung kommt nicht so recht auf. Weder bei den Menschen noch bei den anderen Ponys kommt so etwas wie eine Entwicklung vor. Eine Einsicht, dass die Ausgrenzung eines Ponys aufgrund von Äußerlichkeiten gemein ist, sucht man bei den Kindern vergebens. Keiner seiner Ponyfreunde setzt sich für Glámur ein. Und auch das rothaarige Mädchen, das sich mit ihm anfreundet,bleibt ohne Kontur: Wo kommt sie plötzlich her, warum findet sie ausgerechnet an dem Außenseiter Gefallen, wie steht sie zu den anderen Kindern? Einzig Glámur durchlebt in dieser Geschichte verschiedene Gefühle.

Dennoch: Für kleine Pferdefreunde und Schul- und Leseanfänger ist das Büchlein trotz mancher Schachtelsätze durchaus geeignet, denn die Kulleraugenponys sind lustig anzuschauen und die Themen, die hier angesprochen werden, sind elementar: Ausgrenzung wegen Äußerlichkeiten, Entmutigung und Ermutigung, Freundschaft und Hoffnung. Wer sich einsam fühlt, darf wie Glámur hoffen, dass es doch irgendwo da draußen jemanden gibt, der ihn gern hat.

Altersempfehlung: 6-7 Jahre
(Vor-)Lesezeit: 20 Minuten

Daten zum Buch „Glámur das Islandpony mit den blauen Augen“

Titel: Glámur das Islandpony mit den blauen Augen
Autor: Janine Waldvogel, Heidi König
Verlag: Tierbuchverlag Irene Hohe
Jahr/Auflage: 2017/1.

ISBN: 978-3944464602

Glámur das Islandpony mit den blauen Augen

KriteriumBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt8
Titelwahl10
Aufmachung7broschiert
einseitig bedruckte Seiten
die Seiten bestehen aus einfachem dünnen Papier, eher Comic als Buch
Text/Sprache8Der Text findet sich blockweise unter dem Cartoonbild und beschreibt dieses. Abgesehen von den isländischen Pferdenamen ist der Text für Leseanfänger verständlich. Allerdings sind die Sätze teilweise sehr lang und umständlich.
Inhalt8Glámur hat als einziges Islandpony auf der Weide kein "Knuddelkind" aus dem Ort, das ihn besucht,streichelt, putzt und mit ihm etwas unternimmt. Er bleibt immer allein auf der Weide zurück, wenn die anderen Ponys Ausflüge machen. Die anderen Ponys sind zwar seine Freunde, aber die Kinder mögen ihn nicht wegen seiner blauen Augen. Sie sind gemein und scheuchen ihn weg. Bis eines Tages ein Mädchen kommt, das sich mit Glámur anfreundet.
Pädagogische Themen10Anders sein
Freundschaft
Einsamkeit
Mobbing
Pädagogischer Wert8Die Hoffnung nicht aufzugeben, ist die Hauptbotschaft dieses Buches. Leider werden die Figuren nicht besonders charakterisiert - warum freundet sich das rothaarige Mädchen am Ende mit dem Außenseiterpony an? Und wandelt sich die Einstellung der anderen Kinder zu Glámur? Hier wäre mehr drin gewesen.
Schlüssigkeit/Logik-
Kreativität9Hier wird die Sehnsucht nach einer Freundschaft vom Mädchen zum Pferd umgekehrt - das Pferd wünscht sich eine Bezugsperson. Das ist mal etwas anderes, allerdings werden dafür auch einige Klischees bedient (so scheinen die "Knuddelkinder", die sich um die Ponys kümmern, ausschließlich Mädchen zu sein)