Clara, der Mond und das neue Zuhause

Clara, der Mond und das neue Zuhause, Christa Kempter, Günther Jakobs

Clara, der Mond und das neue Zuhause, Christa Kempter, Günther Jakobs

Umziehen, das Zuhause verlassen, Freunde und Bekannte nicht mehr oder viel seltener sehen – das ist eine große Belastung und Herausforderung für Kinder jeden Alters. Der Titel „Clara, der Mond und das neue Zuhause“ verspricht zwar nicht die ganz tiefe Auseinandersetzung mit Verlustängsten und Heimweh und den Schwierigkeiten eines Neuanfangs, aber doch zumindest eine abenteuerliche oder ereignisreiche Geschichte über ein Mädchen das umzieht, sowie über den Mond.

Kurzrezension

Nun wird der Mond im gesamten Buch gerade zweimal erwähnt. Er schaut im alten und im neuen Zuhause zum Fenster herein. Das ist schön, aber unspektakulär. Über das neue Zuhause von Clara erfährt man nicht viel, über das alte ein wenig mehr, aber über Clara selbst so gut wie gar nichts. Sie will nicht weg von ihrem Zuhause, von ihrem Kindergarten mit den zwei Freunden Lisa und Jan, von ihrem Opa und von Nachbars Kaninchen. Wie alt Clara ist, ob sie beispielsweise demnächst vom Kindergarten in die Schule gewechselt hätte, ob sie in eine andere Stadt zieht oder nur in einen anderen Stadtteil, ob sie Hobbys hat – all das erfährt der Leser nicht. Da Clara so konturenlos bleibt, fällt es schwer, sich mit ihr zu identifizieren.
Der Text ist Geschmackssache: Die Sätze sind größtenteils einfach und punktiert, oft ohne Verb. Das liest sich anfangs ganz gut, da lebendig, nervt aber im Verlauf der Geschichte ein wenig. Der am-Progressiv im Satz „Mama und Papa sind am Packen“ ist arg umgangssprachlich und daher gewöhnungsbedürftig.
„Nein, Clara will nicht umziehen. Kein bisschen.“ Diese Worte werden fettgedruckt mehrfach wiederholt. Die Energie, mit der Clara den Umzug dem Text nach verneint, findet sich im Verlauf der Geschichte inhaltlich aber nicht wirklich wieder. Der Konflikt, den sie mit ihren Eltern wegen des drohenden Umzugs hat, beschränkt sich auf sechs Zeilen. Sie rebelliert nicht, sie klagt allenfalls ein wenig.
Dann erfolgt der Umzug. Opa bringt als Abschiedsgeschenk Nachbars Kaninchen in einem Käfig. Das ist eher traurig, denn für Kaninchen Max bedeutet das offenbar den Umzug aus einem Freigehege in eine Wohnung. Aber dafür kann Clara dem Jungen, den sie beim Einzug gesehen hat, ihr Kaninchen vielleicht bald zeigen und so mit ihm Freundschaft schließen. Auch im neuen Zuhause gibt es prägnante Gerüche und Geräusche und der Mond schaut zum Fenster herein – soll heißen: So schlimm ist es hier vielleicht gar nicht,
Für Clara fängt damit die eigentliche Herausforderung aber erst an: Sie muss an einem anderen Ort neu anfangen, in einen neuen Kindergarten gehen, neue Nachbarn und ihre Geräusche kennenlernen. Die Geschichte aber endet hier mit einer leider immer noch sehr konturenlosen Clara.
Natürlich muss ein Kinderbuch nicht tiefenpsychologisch aufgebaut sein oder in langatmigen Texten das Innere der Hauptfigur auseinandernehmen. Aber man kann schon erwarten, dass ein Kinderbuch, dass sich eines so wichtigen Themas wie des Herausreißens eines Kindes aus seiner gewohnten und liebgewonnenen Umgebung annimmt, die Probleme, die sich für ein solches Kind ergeben, zumindest etwas genauer anspricht.

Bei der Leichtigkeit, mit der Clara nach anfänglichem Protest dann in ihr neues Zuhause zieht, kann man sich als Kind mit seinen Sorgen nicht wirklich ernst genommen fühlen.
Als Fazit lässt sich sagen: Es ist gut gemeint, aber für Kinder mit großen Umzugssorgen keine so große Hilfe, wie es der Klappentext verspricht. Positiv ist die Herausstellung der unterschiedlichen Sinneswahrnehmungen, die mit einem Heimatgefühl verknüpft werden können: Der Geruch im Treppenhaus, die Geräusche bei Nacht – kleine Dinge, die für Erwachsene keine große Relevanz haben, aber für Kinder mit wichtigen Erinnerungen und Gefühlen verknüpft werden, werden hier aufmerksam benannt. Und die Zeichnungen sind wirklich gelungen.

Altersempfehlung: 3-6 Jahre
Vorlesezeit: 5 Minuten

Daten zum Buch „Clara, der Mond und das neue Zuhause“

Titel: Clara, der Mond und das neue Zuhause
Autor: Christa Kempter, Günther Jakobs
Verlag: Sauerländer
Jahr/Auflage: 2014

ISBN: 978-3737361606

Clara, der Mond und das neue Zuhause

TitelwahlBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt9
Titelwahl9Aufzählende Titel sind Geschmackssache. Ein simples "Clara will nicht umziehen" hätte in diesem Fall aber eher gepasst.
Aufmachung10Hardcover
Wirklich schöne Bilder, deren Format auf jeder Seite variiert, was die etwas steife Geschichte auflockert.
Text/Sprache8Die Sätze sind größtenteils einfach und punktiert, meist sogar ohne Verb. Insgesamt ist der Text eher umgangssprachlich verfasst worden.
Inhalt8Clara muss umziehen, denn ihre Eltern wollen in eine größere Wohnung ziehen. Clara selbst ist das neue große Zimmer nicht so wichtig, sie möchte lieber in der gewohnten Umgebung bleiben, bei ihren Nachbarn, ihren Freunden und Opa. Sie fragt alle, ob sie nicht mitkommen wollen. Aber keiner kann mitkommen. Clara will aber auf gar keinen Fall umziehen. Beim Packen denkt Clara an das große Zimmer, das auf sie und ihre Spielsachen wartet, und freut sich dann doch ein bisschen auf den Umzug. Dann schenkt der Nachbar ihr auch noch sein Kaninchen zum Trost. Und in der neuen Wohnung stellt sie nicht nur fest, dass es hier einen potentiellen Spielkameraden in der Nachbarschaft gibt, sondern dass auch der Mond hier genauso wie vorher in ihr Zimmer scheint.
Pädagogische Themen10Zuhause
Familie
Freunde
Trennung
Neuanfang
Loslassen
Pädagogischer Wert8Zwar kann das Buch herangezogen werden als Beispiel dafür, dass es auch in einem neuen Zuhause schön sein kann. Aber da weder erwähnt wird, ob Claras Familie innerhalb desselben Ortes umzieht oder in eine andere Stadt und wie alt sie ist und ob sie bald zur Schule kommt, also ein weiterer Neustart ansteht, fehlt die Identifikationssituation für Kinder, die tatsächlich ganz neu anfangen müssen. Denn die stehen vor wesentlich größeren Problemen, die sich nicht über Nacht in Luft auflösen. Der Mond, der Clara das Wohlgefühl im neuen Zuhause geben mag, kommt in der Geschichte nur zweimal vor - genauso oft, wie ihre Eltern, die hier kaum eine Rolle zu spielen scheinen. Wie Eltern ihren Kindern helfen könnten, ihre Sorgen zu verlieren, erfährt man in diesem Buch jedenfalls nicht.
Schlüssigkeit/Logik7Es erschließt sich nicht, warum Clara von jetzt auf gleich beim Packen plötzlich doch Vorfreude auf das neue Zuhause hat. Und es ist auch nicht sehr wahrscheinlich, einfach so ein Haustier geschenkt zu bekommen, ohne dass die Eltern gefragt werden. Es interessiert offenbar auch nicht, wo der Hase im neuen Zuhause untergebracht wird. In Claras neuem großen Zimmer jedenfalls offenbar nicht. Und der durch den Titel betonte Mond wird im Buch nur zweimal erwähnt, seine Relevanz ist also kaum zu spüren.
Kreativität9