Das Kinderbuch von Sibylle und Jürgen Rieckhoff mit der energischen Aufforderung „Bleib bloß da drin!“ als Titel nimmt sich eines nicht zu unterschätzenden Themas an. Eifersucht kennen viele Familien, aber die Eifersucht auf ein ungeborenes Kind ist um einiges komplexer, weil sich der Adressat nicht dazu äußern, geschweige denn sich wehren kann, und die Ängste des eifersüchtigen Geschwisterkindes sich nicht auf einen Ist-Zustand, sondern auf die ungewisse Zukunft begründen.
Kurzrezension
Hellis Eltern eröffnen ihr, dass sie ein Geschwisterchen bekommen wird. Das Mädchen ist mit dieser Neuigkeit sichtlich überfordert und unzufrieden und malt sich für sich schlimme Zukunftsbilder aus. Helli hätte es gerne anders, aber dann wird der kleine Bruder geboren und es dauert nicht lang, da findet sie es gut, nicht mehr allein zu sein, und sieht die Zukunft mit ihm positiv.
In der Geschichte um Helli und ihre Familie löst sich das Eifersuchtsproblem offenbar ganz ohne Zutun der Erwachsenen. Das ist schön, aber eher ein Wunschtraum. Helli kann in dieser Geschichte zwar ausdrücken, was ihre Befürchtungen für die Zukunft mit Geschwisterchen sind, aber sie kann nicht begründen, warum sie dann plötzlich, als das kleine Brüderchen da ist, ganz anders empfindet. Es ist eben einfach plötzlich da, dieses Bauchgefühl.
Hellis Ängste und Wut werden sehr anschaulich und lustig dargestellt und das Buch erlaubt einen heiteren Blick auf ihre sehr heftigen Gefühle. Vorleser und potentielles älteres Geschwisterkind können durch dieses Buch einen Einstieg in ein Gespräch über die eigenen Gefühle und Unsicherheiten finden. Eine Lösung für den Umgang mit der eigenen Eifersucht bietet dieses Buch aber nicht.
Eine Menge Wohlwollen und Optimismus gehören dazu, zu glauben, dass bei Kindern automatisch die Eifersucht durch die aufkeimende Liebe zum neuen Geschwisterkind abgelöst wird. Das Verzwickte ist, dass Kinder trotz Geschwisterliebe Eifersucht empfinden können, und dies eben meist ab dem Zeitpunkt, da das neue Familienmitglied auf der Welt und somit mitten im Zuhause des älteren Geschwisterkindes angekommen ist.
Dass Hellis Gedanken und Gefühle in ihrer Familie nicht besprochen, sondern nur mit dem Fakt „Der gehört nun zu uns“ beantwortet werden, richtet hohe Erwartungen an das kleine Mädchen. Sie muss sich nun mit der neuen Situation arrangieren. Man sollte beim Vorlesen darauf achten, dem eigenen Kind zu vermitteln, dass es auch in Ordnung ist, wenn es nicht so schnell und eigenständig wie Helli die neue Situation annehmen kann.
Insgesamt ist „Bleib bloß da drin!“ ein humorvolles Buch zu einem schwierigen Familienthema, mit dem Erstleser oder Kinder, denen es vorgelesen wird, nicht allein gelassen werden sollten.
Altersempfehlung: 3-7 Jahre
Vorlesezeit: 10 Minuten
Daten zum Buch „Bleib bloß da drin!“
Titel: Bleib bloß da drin!
Autor: Sibylle und Jürgen Rieckhoff
Verlag: Thienemann
Jahr/Auflage: 2008
ISBN: 978-3522435772
Bleib bloß da drin!
Titelwahl | Bewertung (1-10) | Begründung |
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Punkte gesamt | 9 | |
Titelwahl | 10 | |
Aufmachung | 9 | Hardcover etwas schlichte Aufmachung, auf dem Cover sind nur die schwangere Mutter, die unzufriedene Tochter und die skeptische Katze zu sehen, der Rest ist hellgelber Hintergrund. Im Buch selbst wird es bunter und turbulenter. |
Text/Sprache | 9 | Nicht alle Sätze sind vollständig, doch der Text ist gut vorzulesen und die Sprache ist klar und authentisch. |
Inhalt | 9 | Das Mädchen Helli soll ein Geschwisterchen bekommen und ist darüber gar nicht begeistert. Sie malt sich das Schlimmste aus und hat überhaupt keine Lust auf die Veränderungen, die ein Baby mit sich bringt. Am liebsten wäre es ihr, wenn dieses Baby nie aus dem Bauch der Mutter herauskäme, obwohl sie den Bauch auch nicht mag. Aber schon kurz nachdem der kleine Bruder dann geboren wurde, ändert sich Hellis Einstellung und sie merkt, dass sie ihn gern hat und stellt sich vor, wie es wohl sein wird, wenn er größer ist. Und am Ende der Geschichte ist ihre Mutter offenbar wieder schwanger, aber das findet Helli dann gar nicht mehr schlimm und sie möchte auch, dass ihr Bruder es nicht schlimm findet. |
Pädagogische Themen | 10 | Familie Eifersucht Geschwister bekommen |
Pädagogischer Wert | 9 | Das Thema Eifersucht ist in vielen Familien ein Problem. Meist jedoch erst, wenn das Geschwisterkind geboren wurde und das ältere Kind sich zurückgesetzt fühlt. In dieser Geschichte aber ist Helli von Anfang an skeptisch, ängstlich und sogar wütend darüber, dass sie ein Geschwisterchen bekommt. Dieses Gefühl ändert sich, als das kleine hilflose Kind plötzlich da ist. Insgesamt wird die Eifersucht und Sorge von Helli sehr gut dargestellt und am Ende aufgelöst. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die Familie während der gesamten Schwangerschaft das Thema und Hellis Ängste gar nicht bespricht oder kommentiert, sondern einfach so im Raum stehen lässt. Zudem tritt das Eifersuchtsproblem bei den meisten Familien eben tatsächlich eher NACH der Geburt auf und löst sich nicht wie bei Helli von selbst in Luft auf. Wie man dies dann lösen könnte, wird hier leider nicht angesprochen. |
Schlüssigkeit/Logik | 8 | Es wird nicht ganz klar, warum Helli plötzlich ganz von selbst ihre Ängste und Eifersucht verliert und warum die Eltern während der Schwangerschaft nicht mit ihr über ihre Gefühle reden. |
Kreativität | 10 | Hellis Phantasie, die sich zeigt, wenn sie sich die schlimme beziehungsweise tolle Zukunft als große Schwester ausmalt, ist sehr ausgeprägt. |