„Kind, was möchtest du zum Frühstück?“ „Mutella!“
Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal zu den Müttern zählen würde, die ihren Dreijährigen Schokobrotaufstrich servieren. Doch die Realität zwingt mich dazu, mehr noch: Ich freue mich ehrlich darüber, wenn von dem geliebten und verlangten Mutella-Toast wenigstens ein Viertel tatsächlich vor dem Kindergarten den kindlichen Magen erreicht. Denn meist überlegt es sich mein Kind spätestens dann anders, wenn ich die frisch geschmierte Stulle auf ihrem Heidi-Frühstücksbrettchen platziere.
„Ich möchte Müsli“, heißt es dann schon mal. Mit „Müsli“ ist aber leider keine ausgewogene Haferflocken-Dinkel-Mischung mit Trockenobsteinlage gemeint, sondern poppige Getreideflocken mit tonnenweise Zucker aus bunten Pappkartons mit Tigern, Äffchen oder sonstigen Frohnaturen darauf. Doch selbst solch ein Pseudo-Müsli rühre ich dankbar an, in der Hoffnung, mein Kind dadurch wenigstens nicht mit komplett leerem Magen in den Hort schicken zu müssen.
Der Kampf um eine aus Muttersicht überlebenswichtige Dosis an täglicher fester Nahrung ist mit dem Frühstück freilich keineswegs vorbei. Wenn ich mein Kind aus dem Kindergarten abhole, ist eine meiner ersten Fragen: „Hast du was gegessen?“, gefolgt von einem besorgten Blick in die randvolle Brotdose und einem anschließenden „Hast du denn keinen Hunger?“
Beim Mittagessen zähle ich die Nudeln, die sich meine Tochter freiwillig in den Mund steckt und rede mir ein, dass ein Klecks Tomatensoße das abgewiesene Gemüse wett macht. Immerhin hat sie mit den anderen Kindern vormittags ein Stück Apfel gegessen, und wenn ich es geschickt anstelle, isst sie vielleicht auch heute Nachmittag noch ein paar Weintrauben. Dann ist es vielleicht nicht so schlimm, dass die Wurst am Abend vom Schwarzbrot gepult wird, denn Ballaststoffe werden ohnehin überbewertet. Und an Energie scheint es dem Kind auch nicht zu mangeln. Aber vielleicht mag sie ja am Abend noch einen Joghurt? Zumindest wenn ein Bibi Blocksberg-Bild darauf und ein paar rosa Glitzerchrunchies darin sind?
Dass ich dem Thema Essen zuviel Macht und Raum gebe und automatisch Druck auf mein immer schon sehr schlankes Kind ausübe, ist mir klar. Doch kann ich nicht aus meiner Haut. Derselben Haut übrigens, die meine Mutter trug, als ich bis ins Alter von ungefähr 14 Jahren chronisch unterernährt wirkte. Ich weiß es wie heute: Je mehr man versuchte, mich zum Essen zu bewegen, desto weniger Appetit hatte ich.
Es tröstet, damit nicht allein zu sein. Unzählige Kochbücher für Familien, Ernährungsratgeber und Ratgeber für entspannte Fütterer beweisen es: Mindestens jedes zweite Elternteil sorgt sich zwischenzeitlich um das Essverhalten der eigenen Kinder. Während ich meinem Kind jeden Schokoriegel herzlich gönne und ihn auf der Haben-Seite verbuche, müssen andere ihr Haus strikt süßwarenfrei halten und fürchten den Spießrutenlauf durch den Supermarkt vorbei an den reizvollen Keks- und Bonbontüten. Nachbarn und Verwandte, die gutmeinend dem Kind ein Snickers zustecken, werden zum Feind im Kampf um die gesunde Ernährung. So wie einige Kinder Minimalmengen zu sich nehmen und aus den Slim Fit-Jeans herausrutschen, gibt es andere Kinder, die sich schon am Morgen rechtfertigen müssen, wenn sie zwei statt ein Brötchen essen möchten und ihre Socken überlaufen, weil die Beinchen stämmiger sind, als beim Klassenkameraden.
Ich möchte weder das eine, noch das andere. Ich möchte, dass mein Kind mit Genuss gesunde Dinge isst und gerne, aber gemäßigt nascht. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass die Ernährung meines Kindes zwar in meiner Verantwortung liegt – aber ich gerade aus dieser Verantwortung heraus endlich einmal entspannt mit dem Thema umgehen sollte. Was mein Kind isst, soll es doch weitestgehend selbst bestimmen dürfen. Mir redet doch auch keiner mehr rein, wenn ich über die Feiertage ein paar Lebkuchen zuviel genascht habe. Solange ein ausgewogenes Angebot an Nahrungsmitteln greifbar ist, darf ich meinem Kind ruhig auch einmal vertrauen. Dann kann ich vielleicht eines Tages auch mal sagen: „Essen? Ist bei uns kein Thema.“
Kurzrezension
„Die kleine Raupe Nimmersatt“ von Eric Carle ist zu Recht ein Klassiker unter den Kinderbüchern. Mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet wird die Ausgabe von 1969 in unserer wie sicher auch in vielen anderen Familien von Generation zu Generation weitergegeben und ist auch in Kitas und Kindergärten nicht aus dem Buchbestand fortzudenken.
Das Buch kommt im Din A4 Querformat daher und liegt somit optimal auf dem Schoß von Kind und Vorleser. Eine fröhliche Sonne mit Widmung eröffnet die Geschichte, die in wenigen aber klaren Worten auf doppelseitigen Bildern die Geschichte der Entwicklung eines Schmetterlings erzählt.
Der Lehrfaktor des Buches ist immens. Nicht nur die Genese vom Ei über die Raupe und die Verpuppung bis zum Schlupf des Schmetterlings wird hier in kräftigen, schönen Farben und künstlerisch anmutenden Bildern dargestellt. Kinder lernen mit der kleinen Raupe zudem Tag und Nacht, diverse Lebensmittel und erste Zahlen kennen.
Ebenso spielerisch und quasi nebenbei aber eröffnet die Geschichte über „Die kleine Raupe Nimmersatt“ Eltern auch die Möglichkeit, ungezwungen und mit Spiel und Witz das Thema Nahrungsaufnahme, gesunde Ernährung und Wachstum anzugehen. Denn nachdem die kleine Raupe zunächst viel Obst, dann aber auch viele Süßigkeiten und sogar Wurst und Käse gegessen hatte, bekam sie Bauchschmerzen. Erst das grüne Blatt, was die angemessene und naturgegebene Nahrung für die kleine Raupe darstellt, sorgt dafür, dass es ihr wieder besser geht.
In Zeiten, in denen teilweise schon bei Kindern im Kindergartenalter die ersten Anzeichen von Essstörungen zu erkennen sind, ist es besonders wichtig, dass Eltern und Erzieher mit den Kindern das Thema Nahrungsaufnahme im Alltag zwanglos angehen. Die kleine Raupe Nimmersatt bietet diesem Thema eine kindgerechte, lustige und einfach wunderschöne Plattform.
Altersempfehlung: 0-6 Jahre
Vorlesezeit: 3 Minuten
Daten zum Buch „Die kleine Raupe Nimmersatt“
Titel: Die kleine Raupe Nimmersatt
Autor: Eric Carle
Verlag: Gerhard Stalling
Jahr/Auflage: 1969 Lizenzausgabe
Die kleine Raupe Nimmersatt
Titelwahl | Bewertung (1-10) | Begründung |
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Punkte gesamt | 10 | |
Titelwahl | 10 | |
Aufmachung | 10 | Hardcover kindgerechte, ganzseitige Zeichnungen starke Farben DinA4 Querformat wunderschönes Bilderbuch Zur Veranschaulichung wurden aus den Lebensmitteln, durch welche sich die Raupe gefressen hatte, Löcher gestanzt. |
Text/Sprache | 10 | Schöne leichte Sprache, einfache Sätze mit Nebensatz. Leicht vorzulesen und auch ideal für Erstleser durch die große Schrift. |
Inhalt | 10 | Aus einem kleinen Ei schlüpft eine kleine hungrige Raupe. Und fortan frisst und frisst sie sich durch alles, was ihr lecker erscheint und vor ihr kleines Mäulchen kommt. Sie wächst und wächst, bis sie sich schließlich verpuppt und zu einem wunderschönen Schmetterling wird. |
Pädagogische Themen | 10 | Lehrinhalte: Entwicklungsgeschichte einer Raupe zum Schmetterling Vorstellen verschiedener Lebensmittel erstes Zählen Wachstum, Hunger, Essen als Grundbedürfniss |
Pädagogischer Wert | 10 | Dieses Buch, so simpel es einem auf den ersten Blick vorkommen mag, ist ein Bilderbuch mit mehrfachem Lehrwert für die Kleinsten. Sie bekommen anschaulich Lebensmittel und Zahlen nahegebracht und die Entwicklung einer Raupe zum Schmetterling erklärt. Schöne bunte Farben und gestanzte "Fraßlöcher" regen die Sinne an. Das Thema Hunger und Essen kann auf Grundlage dieses Buches gut eingeführt werden. |
Schlüssigkeit/Logik | 10 | |
Kreativität | 10 |