Wo sind denn all die Bienen hin?

Wo sind denn all die Bienen hin? Julia Seal, Lena Steinfeld

Neulich fragte uns ein potentiell neuer Nachbar, ob einer von uns gegen Bienen allergisch wäre. Er hätte nämlich Lust, sich zukünftig der Hobby-Imkerei zu widmen. Seitdem schwirrte das Thema Bienen durch die Köpfe meiner Familie. Vor allem den Papa, der als Jugendlicher einst sein Taschengeld mit dem Verkauf von Honig aus eigenen Bienenstöcken aufgebessert hatte, ließ der Gedanke an die fleißigen Insekten nicht mehr los.

Andere Nachbarn rieten allerdings davon ab. Er habe doch ohnehin schon genug zu tun und wir hätten ja wohl auch genug Tiere auf unserem Hof. Wie so oft wurde der Papa durch die  ablehnende Haltung anderer eher – sagen wir – angestachelt. Er kramte seine alte Ausrüstung hervor, informierte sich im Imkerladen vor Ort und steckte auch das Grundschulkind mit seiner Begeisterung an. Kopfschüttelnd musste ich zusehen, wie die Kinder ihre durch Schul- und Kiga-Ausfälle viel zu wenig geforderte Kreativität an den alten braunen Wabenkästen ausließen und mit prächtig-bunter Beutenfarbe Garten- und Bienenbilder auf das Styropor zauberten.

Anschließend wurden etliche Euro im Imkerladen umgesetzt für Rahmen, Schutzausrüstung und Fachbuch zur Wissensauffrischung. Den ausgefallenen Sachkundeunterricht holte das Grundschulkind nun ebenfalls nach, indem es den Körperbau der Biene studierte und aus dem Fachbuch abzeichnete. Der besorgten Mutter versicherte Mann, dass Bienen nicht stechen würden, wenn man alles richtig machte. Fernseh-Dokumentationen über Wildbienen, naturnah gebaute Stöcke und Bienenbotschafter taten ihr Übriges, um auch bei Junior das Interesse an dem neuen Hobby aufflammen zu lassen.

Dann kam der große Tag, an dem zwei kleine Ableger-Völker bei uns einziehen sollten. Klein – das fand ich schnell heraus – bedeutete im Bienenfall „nur wenige tausend“ summende und schwirrende Stachelträger. Weit weg im Rapsfeld standen in Reih und Glied die Kästen des Imkers, der diese Ableger abgeben wollte. In voller Schutzausrüstung gingen Vater und Tochter also mit zu den Beuten. Die ungeschützte Mutter blieb mit dem ebenfalls netzlos gekleideten Junior in sicherer Entfernung zurück.

Beim Versuch, die Beute zu öffnen, stellte der Imker fest, dass der Deckel vor lauter Honig schon ein wenig festklebte. Mit einem Ruck gab dieser schließlich doch nach, und hervor kam ein aufgebrachter Bienenschwarm, der die Störenfriede jäh bei der Suche nach der Königin unterbrach. Das unerwartet mächtige Gesumm ließ die hoffnungsvolle Nachwuchsimkerin Schritt für Schritt zurückweichen, ganz so, wie der Vater es ihr vorher empfohlen hatte. „Wenn es dir unangenehm wird“, hatte er gesagt, „dann geh einfach nur langesam weg.“ Super. Aber zu wem geht so ein verunsichertes Kind dann, um von seinen Eindrücken zu erzählen? Na, zur Mutti.

So kam es, dass das Kind, ohne es zu merken, einen Teil des aufgebrachten Bienenschwarms im Gefolge mitbrachte zu Mutter und Junior. Wir waren den Angriffen der wütenden Insekten netz- und schutzlos ausgeliefert. Die Rückfahrt verlief in sehr gedämpfter Stimmung. Während ein Knistern aus dem Kofferraum verriet, dass unsere neuen Mitbewohner bereits dabei waren, die Styroporabdeckung des Einfluglochs zu vernichten, war die Nachwuchsimkerin reichlich blass um die Nase und auch Junior wollte von Bienen erstmal nichts mehr wissen.

Wir machten dennoch einen Abstecher zur Apotheke (Stichsalbe, Nelkenöl) und in den Imkerladen (eigene Schutzkleidung für Junior, Nelkenduftspray zur Abwehr und lustige Bienenanhänger für die Rücksäcke). Dann wurden die Neuankömmlinge an ihren zukünftigen Wohnort gestellt und durften zur Ruhe kommen.

Als nach geraumer Zeit die angeknabberten Abdeckungen von den Einfluglöchern entfernt wurden, beobachteten wir mit respektvollem Abstand, wie die kleinen Honigbienen in immer größer werdenden Kreisen um die Beuten flogen und ihr neues Reich entdeckten. So unaufgeregt und umsichtig, wie sie sich zeigten, war auch bald die Panik der Kinder dem wiederaufflammenden Interesse gewichen. Noch am selben Abend schickten uns begeisterte Nachbarn Fotos von „unseren“ Bienen, die dabei waren, ihre Gärten zu bestäuben. Und nach wenigen Tagen konnten Vater und Kinder beim Öffnen der Beuten feststellen, dass sich die Bienen gut eingelebt hatten und bereits eifrig die Waben mit Nachwuchs und Nahrung füllten.

 

Kurzrezension

Toni spielt Forscherin. Ihr Garten ist ihr Forschungsgebiet. Doch sehr viel entdeckt sie dort nicht, denn alles sieht gleich aus: grüner Rasen eben. Doch plötzlich summt da etwas: Es ist Bo, die Biene. Bo hat sich etwas zu lange an einer schön duftenden Blüte aufgehalten und dabei seine Familie verloren. Dabei sollten die über 8.000 Bienen doch wirklich nicht zu übersehen sein.

Toni beschließt, Bo zu helfen. Zuerst erkunden sie eine Blume. Bei der Essenspause fällt Toni dann auf, dass Bo keine Spaghetti mag. Kein Wunder, Bienen sammeln schließlich Nektar, um Honig daraus zu machen für den Nachwuchs und für die kalte Jahreszeit. Bo erklärt Toni, wie das funktioniert.

Ein kleiner doppelseitiger Exkurs gibt den jungen Lesern der Geschichte nun Einblicke in das Leben und Wirken der Bienen. Dann schließlich machen Bo und Toni sich auf die Suche nach den vermissten Verwandten. Die beiden suchen überall, sehen aber keine einzige Biene. Um Bo abzulenken, fängt Toni an, wild mit Bo zu tanzen – denn Bienen tanzen gerne. Und plötzlich, siehe da, kommen tausende weitere Bienen angeflogen.

Toni verwandelt nun ihren Garten in eine Bienenblumenwiese: Sie ackert und sät und schon sieht es nicht mehr fad aus bei ihr und es gibt so viel zu entdecken, dass Bo und sein Bienenvolk beschließen, bei Toni zu bleiben.

Den Abschluss bildet ein Sachtext zu Wild- und Honigbienen, ihre Bedeutung und Bedürfnisse und es finden sich auch Tipps, wie man den Bienen helfen kann.

 

Ein heiteres, buntes Bilderbuch, das sich unbeschwert und voll kindlicher Energie einem wichtigen Thema annimmt und kindgerecht erklärt, warum wir uns Sorgen machen sollten, wenn wir keine Bienen sehen.

Altersempfehlung: 4-6
Vorlesezeit: 6-8 Minuten

Daten zum Buch „Wo sind denn all die Bienen hin?

Titel: Wo sind denn all die Bienen hin?
Autor: Julia Seal, Lena Steinfeld
Verlag: Delphin
Jahr/Auflage: 2020

ISBN: 978-3961284108

Wo sind denn all die Bienen hin?

KriteriumBewertung (1-10)Begründung
Punkte gesamt10
Titelwahl10
Aufmachung10Hardcover
besonders niedliche und ausdrucksstarke Zeichnungen
kindgerecht
Text/Sprache10Der Text ist gespickt mit fett gedruckten Wörten und teils kreuz und quer über die Seiten verteilt. Er wird dadurch aber nicht unleserlich, sondern lockert das Lesen auf. Für Leseanfänger ist das Buch sehr gut geeignet.
Inhalt10Biene Bo hat ihre Familie verloren. Toni hilft beim Suchen, doch nirgendwo entdecken sie auch nur eine einzige Biene. Bis ihnen etwas einfällt, um die Bienen anzulocken - und schließlich auch zu halten.
Pädagogische Themen10Fruendschaft
Naturschutz
Tierschutz
Klimaschutz
Pädagogischer Wert10Die niedliche Geschichte transportiert sachliches Wissen und Mitgefühl zum Thema Bienen, ohne belehrend zu wirken.
Schlüssigkeit/Logik9Na gut, kleine Unstimmigkeit: Bo und Ton wollen die Blumen im Garten erforschen - obwohl dort eigentlich anfangs gar keine sind.
Kreativität10